Die Landkreise und die Kreisfreie Stadt Chemnitz
Die sächsischen Landkreise sind deutlich stärker von Alterung und Bevölkerungsrückgang betroffen als die Kreisfreien Städte Dresden und Leipzig. Auch die ökonomische Entwicklung, gemessen an der Zahl der Beschäftigten, den Tageslöhnen oder dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist geringer. Über alle Indikatoren hinweg sind jedoch keine gleichmäßigen Schwächenmuster, sondern unterschiedliche »Schattierungen« festzustellen. So ist diese »Gruppe« durch eine große Heterogenität der sozioökonomischen Befunde, der Chancen und Risiken, gekennzeichnet.
Für die großstadtnahen Landkreise Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Leipzig lässt sich beispielsweise folgendes feststellen:
- Der Wanderungssaldo in diesen Regionen ist in der Vergangenheit leicht positiv gewesen (Abbildung 3-11), dementsprechend fällt der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sowohl im Rückblick als auch in der Vorausberechnung noch moderat aus (Abbildung 3-19).
- Der landesweit stattfindende Zuwachs der Beschäftigung ist zwar schwächer als in den Zentren, aber dennoch deutlich spürbar (Abbildung 4-1) und auch die Entwicklung der Tageslöhne ist leicht überdurchschnittlich (Abbildung 4-10, Abbildung 4-11).
- Der SGB-II-Bezug (Abbildung 4-29) sowie die Zahlung von Grundsicherung im Alter (Abbildung 5-15) sind unterdurchschnittlich.
Auch für die Kreisfreie Stadt Chemnitz und alle weiteren Landkreise sind
- Beschäftigungszuwächse (Abbildung 4-1) und
- eine im Vergleich zu Dresden und Leipzig geringere Arbeitslosigkeit und SGB-II- (Abbildung 4-29) sowie Grundsicherungsquote im Alter (Abbildung 5-15) festzustellen.
Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass Beschäftigungszuwächse in dieser Gruppe im Unterschied zu Dresden und Leipzig nahezu durchgängig in der Altersgruppe der 50-Jährigen und Älteren erfolgten. Jüngere Generationen haben hier nicht profitiert (vergleiche Abbildung 4-2), was den Abwanderungstrend der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (Abbildung 3-19) und mit ihnen auch den ihrer Kinder, also der Minderjährigen (Abbildung 4-44), fördert.
Auffällig ist auch der ausgeprägte, in den Landkreisen jedoch unterschiedlich hohe Männerüberschuss, der nicht – wie in Dresden und Leipzig – in den einschlägigen Jahrgängen auf die hohe Präsenz von Studenten in den Universitäten zurückgeführt werden kann (Abbildung 3-4).
Gleichzeitig zeigt sich hier die Tendenz, dass die zurückliegende Nettoabwanderung mit Produktivitätsverlusten, gemessen im Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (Kapitel Wirkungszusammenhänge), einhergeht. Dies spiegeln auch die Tageslöhne, die sich in diesen Regionen – mit Ausnahme von Chemnitz – unterdurchschnittlich entwickelt haben. Am deutlichsten haben sich die genannten Entwicklungen in den Landkreisen Görlitz und Zwickau sowie im Erzgebirgskreis und im Vogtlandkreis gezeigt.
Die Kreisfreie Stadt Chemnitz kennzeichnet weitere Besonderheiten: Die Stadt weist eine ausgeprägte Standortattraktivität auf und steht in ihrer Funktion als Wirtschaftsmotor den Kreisfreien Städten Dresden und Leipzig näher; in ihrer demografischen Entwicklung ist Chemnitz jedoch eher den Landkreisen zuzuordnen. (Abbildung 3-11).
Weitere Indikatoren, die im Vergleich zu den beiden Kreisfreien Städten Dresden und Leipzig ebenfalls tendenziell ungünstiger ausgeprägt sind, betreffen zum Beispiel
- die altersstandardisierte Mortalitätsrate (Abbildung 6-5),
- die Häufigkeit von Erkrankungen am Beispiel der Hypertonie (Abbildung 6-83),
- die Häufigkeit alkoholbezogener Hauptdiagnosen (Kapitel Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen),
- die Häufigkeit von Adipositas bei Schulaufnahmeuntersuchungen (Abbildung 6-20) sowie die altersstandardisierte Diabetes-Prävalenz (Abbildung 6-48),
- den Umfang medizinischer Leistungen zur Teilhabe (Abbildung 6-72).
Damit wird in der Tendenz ein bekannter sozialmedizinischer Befund für Sachsen hinterlegt, nämlich dass in Regionen mit ungünstigen sozioökonomischen Rahmenbedingungen – gemessen an der Ausprägung von sozialer Deprivation – im Schnitt auch ein ungünstigeres Gesundheitsverhalten, eine höhere Sterblichkeit bei wichtigen Todesursachen sowie eine generell niedrigere Lebenserwartung vorliegen (Abbildung 6-106 ff.).
Mit dem hohen Altenquotienten geht zudem ein signifikanter Zuwachs von Pflegebedürftigen einher (Abbildung 7-1).
Die folgende Tabelle fasst die Kreisprofile anhand einer Auswahl von Indikatoren, für die der sächsische Durchschnitt, die Minimal- und Maximalwerte ausgewiesen sowie regionale Abweichungen angezeigt werden, zusammen. Hierbei gilt folgende Symbolik:
- Die Markierung der Felder richtet sich nach der Standardabweichung (statistisches Lagemaß, berechnet auf Basis der aggregierten Werte auf Kreisebene). Ein + oder - (ein ++ oder - -) zeigt, dass der zugrundeliegende Wert um eine (um zwei) Standardabweichungen vom Wert für Sachsen abweicht.
- Mit + oder ++ markierte Felder zeigen für die Region eine günstige Abweichung vom Wert für Sachsen. Mit - oder -- markierte Felder zeigen für die Region eine ungünstige Abweichung vom Wert für Sachsen.
- Sind Felder nicht markiert bedeutet dies, dass die zugrundeliegenden Werte nicht um eine (zwei) Standardabweichungen vom Wert für Sachsen abweichen.
Altenquotient 2015 | Bevölkerung (Differenz 1990-2015 in %) | Zusammengefasste Geburtenziffer 2015 | Familien mit minderjährigen Kindern (Differenz 2005-2015 in %) | SGB-II-Quote 2015 | Median Tageslohn268 2014 | Grundsicherung im Alter je 100 Einwohner 2015 | Pflegebedürftige ab 65 Jahren je 1.000 Einwohner 2015 | Empfänger Hilfe zur Pflege je 100.000 Einwohner 2015 | Ambulante Versorgung Suchtkranker je 100.000 Einwohner 2015 269 | Altersstandardisierte Mortalitätsrate 2015 | Menschen mit Schwerbehinderungen (Differenz 2005-2015 in %) | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ø Sachsen | 43,0 | -14,5 | 1,59 | -6,0 | 10,9 | 73,60 | 1,17 | 138,1 | 419,4 | 280 | 100 | 30,2 |
Minimum | 33,4 Leipzig, Stadt |
-29,2 Görlitz |
1,49 Leipzig, Stadt |
-24,7 Görlitz |
8,1 Erzgebirgskreis | 67,10 Erzgebirgskreis |
0,58 Erzgebirgskreis |
110,0 Vogtlandkreis |
282,0 Mittelsachsen |
194 Erzgebirgskreis |
89 Dresden, Stadt |
18,2 Zwickau |
Maximum | 50,0 Vogtlandkreis |
6,4 Dresden, Stadt |
1,81 Bautzen |
11,4 Dresden, Stadt |
15,2 Leipzig, Stadt |
89,00 Dresden, Stadt |
2,41 Leipzig, Stadt |
171,4 Görlitz |
605,2 Leipzig, Stadt |
380 Chemnitz, Stadt |
108 Zwickau |
37,7 Leipzig |
Dresden, Stadt | (+) | (++) | (+) | (++) | (-) | (++) | ||||||
Leipzig, Stadt | (+) | (+) | (+) | (- -) | (+) | (- -) | (-) | (-) | ||||
Sächs. Schweiz -Osterzgebirge | (+) | (+) | ||||||||||
Meißen | (+) | (-) | (+) | (+) | ||||||||
Erzgebirgskreis | (+) | (+) | (-) | (+) | (+) | (-) | ||||||
Leipzig | (+) | (+) | (-) | |||||||||
Mittelsachsen | (+) | (+) | ||||||||||
Nordsachsen | ||||||||||||
Bautzen | (+) | (-) | (-) | (-) | ||||||||
Zwickau | (-) | (-) | (++) | |||||||||
Chemnitz, Stadt | (+) | (-) | (-) | |||||||||
Vogtlandkreis | (-) | (+) | (-) | |||||||||
Görlitz | (-) | (-) | (-) | (-) | (- -) | (-) |
Fußnoten
268 Vollzeitbeschäftigte ohne geringfügig Beschäftigte; der Median für Sachsen ist approximiert auf Basis Median Frauen und Männer 2014.
269 Zugänge mit Hauptdiagnose (alle) in der ambulanten Suchthilfe, altersstandardisiert. Beim Indikator „Ambulante Versorgung Suchtkranker je 100.000 Einwohner“ bedeutet eine günstige Abweichung vom Landesdurchschnitt, dass weniger Personen als im Landesdurchschnitt mit Sucherkrankungen in der ambulanten Suchthilfe versorgt wurden.