Bevölkerungsentwicklung nach Geschlecht
Der Anteil der Frauen im Freistaat Sachsen hat im Zuge des Bevölkerungsrückganges von 55,1 Prozent im Jahr 1964 auf 50,8 Prozent im Jahr 2015 abgenommen. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die Lebenserwartung der Männer sich jener der Frauen angepasst hat; der Anteil der älteren Männer ist daher über die Zeit angestiegen. Andererseits sind seit 1990 mehr Frauen als Männer aus Sachsen weggezogen. Der Rückgang des Bevölkerungsanteils der Frauen ist insbesondere in der Altersgruppe der 20- bis unter 46-Jährigen festzustellen. Ein Grund dafür ist, dass junge, in der Regel gut ausgebildete Frauen in Ostdeutschland schlechtere Karrierechancen sahen beziehungsweise sehen als in Westdeutschland oder in urbanen Gebieten Sachsens (TRAWOS-Institut, Hochschule Zittau/Görlitz, 2016). Die Bedeutung regionaler Wanderungsbewegungen in Sachsen thematisiert auch eine Studie zum Wanderungsverhalten (empirica, 2016). Gemäß dieser Studie wirken bestimmte Regionen (in Sachsen vor allem die Kreisfreien Städte) als Anziehungspunkte vor allem für die Bevölkerung in ländlichen Gebieten. Gründe hierfür sind beispielsweise die Existenz von Universitäten sowie, damit zusammenhängend, von Arbeitsplätzen besonders für Berufsanfänger. Wohl auch durch diese Aspekte sinkt in den ländlichen Gebieten die Zahl der jüngeren Bevölkerung. Vor allem der Wegzug von jüngeren Frauen trifft einige Landkreise in Sachsen hart.
Der Rückgang der Bevölkerung verlief in den Landkreisen und Kreisfreien Städten sehr uneinheitlich. Während die Bevölkerung in den Kreisfreien Städten Dresden und Leipzig von Ende 1990 bis Ende 2015 um 6,4 beziehungsweise 0,6 Prozent gewachsen ist, schrumpfte sie in anderen Regionen teilweise um über 20 Prozent. Im Landkreis Görlitz war der Rückgang mit rund 30 Prozent am stärksten (Abbildung 3‑2).
Die weibliche Bevölkerung ist zwischen 1990 und 2015 in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten stärker geschrumpft oder schwächer gewachsen als die Zahl der Männer (Tabelle 3‑1).
Als Grundlage für politische Entscheidungen sind Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur häufig wichtiger als die zahlenmäßige Entwicklung der Gesamtbevölkerung. So erhöht beispielsweise der Rückgang des Anteiles der erwerbsfähigen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung den Druck auf die sozialen Sicherungssysteme, da der Anteil derjenigen, die aus den Sicherungssystemen alimentiert werden müssen, deutlich steigt. Dies gilt auch, wenn die Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung in absoluten Zahlen steigt, aber schwächer zunimmt als die abhängige Bevölkerung im Alter von unter 20 oder über 64 Jahren. Dabei ist nicht immer relevant, ob die erwerbsfähige Bevölkerung in absoluten Zahlen zu- oder abnimmt. In Sachsen insgesamt hat die Zahl der erwerbsfähigen Personen (im Alter von 20 bis unter 65 Jahren) von 2005 von 2.618.308 Personen bis 2015 auf 2.386.874 Personen abgenommen. Die Gesamtbevölkerung schrumpfte im gleichen Zeitraum »lediglich« von 4.273.754 auf 4.084.851 Personen. Der Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung fiel demnach etwas stärker aus als der Rückgang der Bevölkerung insgesamt.
Gesamtbevölkerung | Männer | Frauen | |||||||
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1990 | 2015 | 1990–2015 | 1990 | 2015 | 1990–2015 | 1990 | 2015 | 1990–2015 | |
Sachsen | 4.776 | 4.085 | -14,5% | 2.250 | 2.012 | -10,6% | 2.526 | 2.073 | -17,9% |
Chemnitz, Stadt | 315 | 249 | -21,1% | 147 | 123 | -16,7% | 168 | 126 | -25,0% |
Erzgebirgskreis | 457 | 348 | -23,9% | 216 | 170 | -21,2% | 241 | 177 | -26,3% |
Mittelsachsen | 393 | 312 | -20,5% | 185 | 155 | -16,4% | 208 | 157 | -24,2% |
Vogtlandkreis | 296 | 232 | -21,5% | 137 | 113 | -17,2% | 159 | 119 | -25,2% |
Zwickau | 410 | 325 | -20,9% | 192 | 158 | -17,5% | 219 | 166 | -23,8% |
Dresden, Stadt | 511 | 544 | 6,4% | 239 | 270 | 13,2% | 272 | 273 | 0,4% |
Bautzen | 389 | 306 | -21,3% | 187 | 151 | -19,1% | 202 | 155 | -23,4% |
Görlitz | 367 | 260 | -29,2% | 175 | 127 | -27,0% | 193 | 133 | -31,1% |
Meißen | 288 | 245 | -14,9% | 137 | 121 | -11,3% | 152 | 124 | -18,2% |
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge | 275 | 247 | -9,9% | 130 | 123 | -5,9% | 144 | 125 | -13,5% |
Leipzig, Stadt | 557 | 560 | 0,6% | 259 | 274 | 6,0% | 298 | 286 | -4,1% |
Leipzig | 281 | 258 | -7,9% | 134 | 127 | -5,1% | 147 | 132 | -10,4% |
Nordsachsen | 236 | 198 | -16,3% | 113 | 98 | -13,3% | 123 | 100 | -19,0% |
Der Rückgang der Gesamtbevölkerung in Sachsen ging mit einer zunehmenden Alterung einher. Waren im Jahr 1990 noch 24 Prozent aller Menschen in Sachsen unter 20 Jahre, so ist der Wert im Jahr 2015 auf 16,5 Prozent gesunken. Die Anzahl von Personen unter 18 Jahren ist für Männer und Frauen gleichermaßen geschrumpft. Zudem ist eine deutliche Zunahme der älteren Männer zu sehen; der Anteil der Menschen, die 65 Jahre oder älter sind, ist von 15,7 Prozent auf 25,1 Prozent, die Zahl der hochaltrigen über 84-Jährigen ist sogar um rund 93 Prozent auf 137.110 Personen angestiegen (Abbildung 3‑3).
Auf regionaler Ebene bestand für die Personen im Alter von 20 bis unter 40 Jahren sowohl 1990 als auch 2015 in nahezu allen Kreisfreien Städten und Landkreisen ein Männerüberschuss (Abbildung 3‑4). Allerdings hat sich der Männerüberschuss von 1990 bis 2015 in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten vergrößert. 2015 bestand der größte Männerüberschuss in den Kreisfreien Städten Dresden und Chemnitz sowie im Landkreis Mittelsachsen. Zum deutlichen Männerüberschuss in der Bevölkerungsgruppe von 20 bis unter 40 Jahren in Dresden und Chemnitz trug vermutlich auch die stark technische Ausrichtung der jeweiligen Universitäten bei. Der Männeranteil in technisch orientierten Studienbereichen, die an den Technischen Universitäten Chemnitz und Dresden dominieren, ist in der Regel höher als der Frauenanteil in geisteswissenschaftlichen Studiengängen (Middendorf et al., 2016). Der deutliche Männerüberschuss in den Landkreisen Mittelsachsen, Zwickau und Bautzen sowie dem Erzgebirgskreis entzieht sich jedoch einer solchen Begründung. Vielmehr spiegelt sich hier die nicht kompensierte Abwanderung der jungen Frauen.