Ernährungsbedingte Krankheiten
Diabetes mellitus
Weltweit ist Diabetes mellitus auf dem Vormarsch. Obwohl Typ-2-Diabetes mellitus als weitgehend vermeidbar gilt, ist er für die meisten Diabetes-Fälle verantwortlich. Die International Diabetes Federation (IDF) schätzt, dass weltweit eine halbe Milliarde Menschen von Diabetes betroffen sind und bezeichnet die Erkrankung als eine »globale gesellschaftliche Katastrophe« (International Diabetes Federation, 2017). Nach Ergebnissen der in den Jahren 2014/2015 vom Robert Koch-Institut durchgeführten Umfrage Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) wird die 12-Monats-Prävalenz von Diabetes bei Männern in Sachsen ab dem 18. Lebensjahr auf 11,7 Prozent und bei Frauen auf 8,0 Prozent geschätzt. Diese Werte fallen damit im Vergleich zu Deutschland deutlich höher aus (Männer: 8,6%, Frauen: 7,0%; Heidemann et al., 2017).
Diabetes mellitus ist eine chronische, voranschreitende Krankheit, jedoch können von ihr Betroffene bei guter medizinischer Betreuung ihr Leben meist in hoher gesundheitlicher Qualität verbringen. Diabetes mellitus wurde 2015 in lediglich 3,1 Prozent aller Todesfälle als Todesursache in Sachsen angegeben und war im selben Jahr nur für 1,5 Prozent aller vorzeitigen Renteneintritte verantwortlich. Dies könnte aber eine erhebliche Unterschätzung der tatsächlichen Diabetes-Sterbefälle sein: Wissenschaftler des Deutschen Diabetes Zentrums gehen davon aus, dass sich rund ein Fünftel aller Sterbefälle in Deutschland auf Diabetes zurückführen lässt. Dies würde aber häufig bei der Todesfeststellung nicht berücksichtigt (Jacobs et al., 2017).
Die Versorgung von Diabetes mellitus geschieht zum größten Teil im ambulanten Bereich. Im Jahr 2011 war Typ-2-Diabetes mellitus die dritthäufigste Diagnose mit einem Anteil von 18,2 Prozent aller in allgemeinärztlichen Praxen gestellten Diagnosen. Leider liegen für den ambulanten Bereich keine langen Zeitreihen vor, die die Veränderung der Behandlungshäufigkeiten in Sachsen dokumentieren könnten. Auch müssen Patienten mit gut eingestelltem Diabetes mellitus nur selten im Krankenhaus behandelt werden. Diabetes mellitus machte 2015 beispielsweise nur 1,3 Prozent aller Krankenhausfälle in Sachsen aus. Die zeitliche Entwicklung der Krankenhausfälle in Abbildung 6‑46 lässt somit nicht den Schluss zu, dass Diabetes mellitus in Sachsen rückläufig wäre.
Abbildung 6‑47 zeigt Ergebnisse der telefonischen Gesundheitsbefragung (GEDA). Die Prävalenz von Diabetes ist am höchsten bei den über 65-Jährigen. Befragte der oberen Bildungsgruppe haben im höherem Alter eine geringere Prävalenz als die untere und mittlere Bildungsgruppe. Besonders ausgeprägt ist der Unterschied bei Frauen. Internationalen Studienergebnissen zufolge haben Personen mit niedrigerem sozioökonomischen Status (SoS) ein 30 bis 40 Prozent höheres Risiko für Diabetes als Personen mit höherem SoS (Gary-Webb et al., 2013). Die GEDA-Ergebnisse könnten dafürsprechen, dass soziale Faktoren wie Bildung und Einkommen auch in Sachsen eine Rolle bei Diabetes mellitus spielen.
Daten des Zentralinstitutes für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) auf Basis der gesamtdeutschen vertragsärztlichen Abrechnungsdaten erlauben einen Vergleich der Diabetes-Prävalenz in sächsischen Landkreisen und Kreisfreien Städten.143 Dabei wird die unterschiedliche Alters- und Geschlechtsstruktur in den Landkreisen berücksichtigt (Abbildung 6-48). Es zeigt sich, dass die Prävalenz in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten über dem Bundesdurchschnitt von 9,7 Prozent liegt. Besonders hoch ist der Anteil an Personen mit Diabetes in den Landkreisen Nordsachsen, Bautzen, Leipzig und Görlitz. Im Kapitel Soziale Lage und Gesundheit wird diskutiert, inwiefern soziale Unterschiede in den Regionen eine Rolle spielen könnten.
Adipositas
Adipositas wird nur sehr selten als direkte Todesursache in der amtlichen Todesstatistik aufgeführt. Im Jahr 2015 verstarben 72 Personen (0,1% aller Todesfälle) in Sachsen an Adipositas. Die Gefährlichkeit der zunehmenden Verbreitung von Adipositas liegt darin begründet, dass diese Erkrankung Auslöser zahlreicher Folgeerkrankungen ist. Starkes Übergewicht führt zu einer erhöhten Belastung des Muskel-Skelett-Systems und kann Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck auslösen, die wiederum Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus sind. Adipositas gilt auch als Risikofaktor bestimmter Krebserkrankungen wie Dickdarm-, Bauchspeicheldrüsen- und Nierenkrebs, wie bereits im Rahmen des Kapitels zu Krebserkrankungen erwähnt. Adipositas bei Frauen wird auch als Risikofaktor für postmenopausalen Brustkrebs und Krebs der Gebärmutterschleimhaut diskutiert (RKI, 2015). Gesellschaftliche Stigmatisierung von Fettleibigkeit kann zudem bei Betroffenen zu Depressionen und damit verbundener zusätzlicher Gewichtszunahme führen (Brewis et al., 2018).
Schätzungen gehen davon aus, dass ein Drittel der Weltbevölkerung von Übergewicht betroffen ist (Hruby und Hu, 2015). Ergebnissen der vom Robert Koch-Institut durchgeführten DEGS-Studie zufolge waren im Zeitraum von 2008 bis 2011 67,1 Prozent der erwachsenen Männer und 53,0 Prozent der Frauen in Deutschland übergewichtig (RKI, 2015). Die Adipositas-Prävalenz beträgt danach bei erwachsenen Männern 23,3 Prozent und bei Frauen 23,9 Prozent.
Für Sachsen ergab eine im Jahr 2013 im Zuge des Mikrozensus durchgeführte Befragung, dass 31,1 Prozent der erwachsenen Frauen und 44,5 Prozent der Männer übergewichtig waren. 16,9 Prozent der Frauen und 16,4 Prozent der Männer gelten als adipös. Der Anteil von adipösen Frauen in der sächsischen Bevölkerung blieb von 2005 auf 2013 weitgehend konstant (Anstieg um 1,8%), während er bei Männern deutlicher stärker wuchs (+13,9%).
Bezogen auf das Alter fiel der Anstieg von 2005 bis 2013 bei jüngeren Menschen (18 bis 29 Jahre) besonders stark aus (Frauen 53,3%; Männer 31,6%). Unter älteren Menschen (70 bis 79 Jahre) kam es lediglich bei Männern zu einem stärkeren Anstieg der Adipositas-Prävalenz (Frauen 3,9%; Männer 9,3%). Trotz des Anwachsens der Prävalenz im jüngeren Alter ist Adipositas besonders in den mittleren und höheren Altersklassen ein Problem (Abbildung 6-49). Der Anteil von Erstklässlern mit Adipositas ist hingegen vergleichsweise gering. Bei der Schulaufnahmeuntersuchung im Schuljahr 2015/2016 wurden 5,3 Prozent (1.901 Fälle) der untersuchten Kinder als übergewichtig eingeschätzt und 3,8 Prozent (1.372 Fälle) als adipös eingestuft. Der Anteil von übergewichtigen oder adipösen Kindern bei der Schulaufnahmeuntersuchung verläuft seit 2004/2005 trotz leichter Schwankungen größtenteils konstant (Abbildung 6-50), wobei sich seit 2014/2015 ein leichter Anstieg bei Adipositas abzeichnet (zum Thema Adipositas bei Kindern siehe auch Kapitel Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene).
Im Jahr 2011 war Adipositas in 7,1 Prozent aller Fälle der Behandlungsanlass in sächsischen allgemeinärztlichen Praxen und damit der achthäufigste Grund für einen Hausarztbesuch. In Frauenarztpraxen war Fettleibigkeit in 4,1 Prozent aller Fälle der Behandlungsanlass.
Krankenhausfälle aufgrund von Adipositas haben sich zudem von 2005 auf 2015 mehr als verfünffacht (Abbildung 6‑51), wobei die Entwicklung in Sachsen dem bundesweiten Trend folgt. Im Alter von 15 bis unter 65 Jahren ist dieser zeitliche Anstieg besonders stark ausgeprägt (Abbildung 6‑52). Rückschlüsse auf die Entwicklung der Adipositas-Prävalenz in Sachsen lassen sich aus diesen Zahlen nur begrenzt ziehen, da Diagnosedaten aus Krankenhäusern von der Entwicklung der Behandlungsmethoden beeinflusst werden. Beispielsweise stieg die Zahl von adipositaschirurgischen Eingriffen im Magen-Darm-Trakt allein von 2006 auf 2011 um beinahe das Vierfache an (Borisenko et al., 2017). Diese Eingriffe sollen die Betroffenen bei der Bekämpfung von krankhaftem Übergewicht unterstützen. In Sachsen wurden im Jahr 2016 aufgrund von Adipositas 371 Männer und 635 Frauen im Krankenhaus behandelt. Die altersstandardisierten Adipositasfälle von Frauen sind trotz ähnlicher Prävalenzzahlen fast doppelt so hoch wie die der Männer (Frauen 30,4; Männer 17,9). Frauen dürften sich demnach häufiger einer Krankenhausbehandlung wegen Adipositas unterziehen.
Abbildung 6‑53 zeigt die altersstandardisierten regionalen Krankenhausfälle aufgrund von Adipositas. Auffällig ist hier der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge als deutlicher Ausreißer, der die anderen Landkreise und Kreisfreien Städte mit Ausnahme des Landkreises Meißen um mehr als das Doppelte überragt. Anhand der zur Verfügung stehenden Daten ist es nicht möglich zu beurteilen, ob Unterschiede in Diagnostik, Versorgung oder reale Krankheitslast dafür verantwortlich waren.
Primärprävention von Diabetes und Adipositas
Adipositas wurde in den vorangegangenen Kapiteln bereits als Risikofaktor für eine Vielzahl von Folgeerkrankungen identifiziert. Primärprävention setzt hier meist als verhaltenspräventive Maßnahme bei den Ursachen von Bewegungsmangel und hochkalorischer sowie übermäßiger Ernährung an. Primärpräventiv wirken hier beispielsweise eine gesunde Verpflegung in der Schule oder Betriebskantine sowie Sportangebote in Schule und Betrieb. Aber auch die Bedeutung von Verhältnisprävention auf Bevölkerungsebene gewinnt zunehmende Aufmerksamkeit. Dafür ist die vor kurzem in Großbritannien und Irland eingeführte Steuer auf Zucker in Softgetränken ein Beispiel144. Die Effekte dieser Steuer und die Auswirkungen der zunehmenden Verwendung von Zuckerersatzstoffen sollten in Zukunft beobachtet werden.
Eine Folge von Adipositas kann die Entwicklung von Diabetes mellitus sein. DieserErkrankung kann ebenso durch Förderung von Bewegung und ausgewogener Ernährung vorgebeugt werden. Durch entsprechende Veränderungen des Lebensstiles lässt sich das Auftreten von Diabetes mellitus bei 31 bis 58 Prozent der Risikopersonen erfolgreich verhindern beziehungsweise hinauszögern. Studien belegen die langfristige Wirkung bei einem großen Anteil der Probanden, die die Lebensstilveränderungen über das Präventionsprogramm hinaus dauerhaft anwenden (Gillies et al., 2007; Lindström et al., 2003; Mozaffarian et al., 2009; Tuomilehto et al., 2001).
Fußnoten
143 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi): https://www.versorgungsatlas.de/themen/gesundheitsindikatoren/?tab=1&uid=79 (Abruf am 16.04.2018).
144 http://www.taz.de/!5494119/ (Abruf am 16.04.2018).