Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
Im Kindes- und Jugendalter obliegt die Verantwortung für das Gesundheitsverhalten noch weitgehend den Eltern, deren Vorbildfunktion in vielerlei Hinsicht prägend für das spätere Leben ist. Gesundheitliche Störungen und schädliches gesundheitliches Verhalten haben dann auch häufig ihren Ursprung in der eigenen Kindheit und Jugend. Dennoch sind Kindheit und Jugend die gesündeste Phase im Leben und am wenigsten von Krankheit und Sterblichkeit gekennzeichnet. Junge Menschen unter 25 Jahren stellen nur einen Anteil von unter einem Prozent aller Gestorbenen in der sächsischen Bevölkerung dar.
Im Jahr 2015 sind 143 Jungen und 89 Mädchen im Alter von 0 bis unter 25 Jahren in Sachsen verstorben. Die Sterblichkeit von Kindern im ersten Lebensjahr lag mit 2,4 Gestorbenen je 1.000 Lebendgeborene unter der Mortalitätsrate von Deutschland (3,3 je 1.000 Lebendgeborene). Von den sächsischen Landkreisen wies nur Nordsachsen eine höhere Säuglingssterblichkeit als der Bundesdurchschnitt auf (Abbildung 6‑15). Die Ursachen dafür sind nicht bekannt.
Insgesamt ist die Sterblichkeit bei Kindern und Jugendlichen (0 bis unter 25-Jährige) in Sachsen seit Jahren rückläufig. Sie ist von 39,8 Gestorbenen je 100.000 Einwohner (2005) auf 28,2 je 100.000 Einwohner (2015) gesunken. Im Vergleich zur Bevölkerung im mittleren (25 bis unter 65 Jahre) und höheren Alter (65 Jahre und älter), die stärker von chronischen Erkrankungen betroffen sind, zählten äußere Einwirkungen durch Unfälle und Suizide im jungen Leben zu den fünf häufigsten Todesursachen (Abbildung 6-16).
Im Jahr 2015 wurden unter jungen Menschen in Sachsen rund 138.000 Krankenhausfälle gezählt (13,7 Prozent aller Krankenhausfälle). Wie bei der Mortalität spielten im jungen Leben Unfälle (als Teil der »äußeren Ursachen«) eine bedeutende Rolle unter den Krankenhausdiagnosen (Tabelle 6-2), weshalb dieses Thema im Kapitel Suizide und Unfälle näher betrachtet wird.
Rang | männlich Krankenhausdiagnose (ICD-10) |
Anteil in % | Rang | weiblich Krankenhausdiagnose (ICD-10) |
Anteil in % |
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1 | Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98) | 15,7 | 1 | Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98) | 10,8 |
2 | Krankheiten des Atmungssystems (J00-J99) | 11,7 | 2 | Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99) | 10,4 |
3 | Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben (P00-P96) | 8,5 | 3 | Krankheiten des Atmungssystems (J00-J99) | 9,0 |
4 | Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99) | 7,6 | 4 | Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben (P00-P96) | 7,2 |
5 | Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99) | 6,7 | 5 | Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99) | 6,9 |
Die hohe Anzahl von Krankenhausfällen wegen Krankheiten des Atemsystems spiegelte sich auch in den Daten der ambulanten Versorgung wider. Akute Infektionen an mehreren oder nicht näher bezeichneten Lokalisationen der oberen Atemwege (J06), zu denen der grippale Infekt gehört, waren die häufigste Diagnose in Kinderarztpraxen in Sachsen. Im letztverfügbaren Jahr 2011 wurde sie in 20,9 Prozent aller Behandlungsfälle gestellt.
Krankenhausfälle aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen sind von 2005 bis 2015 bei jungen Männern um 11,3 Prozent auf 1.231,1 Fälle je 100.000 Einwohner gestiegen und bei jungen Frauen um 33,1 Prozent auf 1.171,0 Fälle je 100.000 Einwohner. Von rund 9.970 Krankenhausdiagnosen aufgrund psychischer Störungen im Jahr 2015 gingen 15,3 Prozent auf Alkoholmissbrauch zurück (Frauen 11,5%; Männer 18,7%). Abbildung 6-17 zeigt, dass Alkohol- und Drogenmissbrauch (psychotrope Substanzen) zu wesentlich mehr Krankenhausfällen aufgrund psychischer Störungen bei jungen Männern führen als bei jungen Frauen. Der Themenbereich Drogen und Sucht wird in Kapitel Drogen und Sucht eingehend beschrieben.
Bei Kindern können auch die Ergebnisse der Schulaufnahmeuntersuchungen zur Beschreibung der gesundheitlichen Lage genutzt werden. Abbildung 6-18 zeigt die häufigsten Befunde, die im Schuljahr 2015/2016 bei rund 35.700 Kindern ermittelt wurden. Auf den ersten drei Rängen lagen auffällige Befunde aus dem Sozialpädiatrischen Entwicklungsscreening für Schulaufnahmeuntersuchungen (SOPESS) aus den Bereichen Sprache/Sprechen, Zahlen- und Mengenvorwissen und Visuomotorik, der Koordination von visueller Wahrnehmung und Bewegungsapparat. SOPESS-Befunde werden als Prädikatoren für den Erwerb von Lesen, Schreiben und Rechnen erhoben.
Die Früherkennung von Entwicklungsrisiken soll die gezielte Förderung von Kindern bis zu ihrem Schuleintritt und danach ermöglichen und so negativen Schulerfahrungen durch Lernstörungen und Verhaltensauffälligkeiten vorbeugen.130
Bei mehr als einem Drittel der untersuchten Kinder wurden Auffälligkeiten in Sprache und Sprechen festgestellt. Dabei wurden in der Untersuchung die Sprachentwicklung, Grammatikkompetenz und das phonologische Arbeitsgedächtnis bewertet.
Bei Zahlen- und Mengenvorwissen wurden Zahlenwissen, Eins-zu-Eins-Zuordnung und automatisierte Mengenerfassung bewertet und bei Visuomotorik wurde durch Zeichnen von Formen die Fähigkeit zur Produktion grafischer Zeichnungen mit Hand und Schreibgerät bewertet (Daseking, 2016). In diesen Bereichen zeigten mehr als ein Viertel der Kinder Auffälligkeiten. Abbildung 6-19 zeigt die Verteilung ausgewählter Befunde der Schulaufnahmeuntersuchung nach Landkreisen und Kreisfreien Städten. Tendenziell zeigt sich, dass Gebiete, in denen Befunde mit Auffälligkeiten im Sprachbereich häufiger sind, auch häufiger Auffälligkeiten in den Bereichen Visuomotorik und Körperkoordination aufweisen.
Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas unter Kindern ist im Vergleich zum Erwachsenenalter gering (siehe Kapitel Ernährungsbedingte Krankheiten). Bei der Schulaufnahmeuntersuchung des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes im Schuljahr 2015/2016 wurden 5,3 Prozent (1.901 Fälle) der untersuchten Kinder als übergewichtig eingeschätzt und 3,8 Prozent (1.372 Fälle) als adipös eingestuft. Übergewicht und Adipositas im jungen Alter sind in ihren gesundheitlichen Folgen dennoch nicht zu unterschätzen, da sie mit psychischen und körperlichen Belastungen für die Betroffenen einhergehen. Sowohl Adipositas im Kindheitsalter als auch adipöse Eltern erhöhen das Risiko, im späteren Erwachsenleben selbst unter Adipositas zu leiden (Whitaker et al., 1997). Übergewicht und Adipositas werden mit einer Vielzahl von Krankheiten wie zum Beispiel Bluthochdruck, Typ-2 Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert und gelten unter anderem als Risikofaktoren für verschiedene Krebsarten (Schienkiewitz et al., 2012). Überdies werden verfrühtes Einsetzen der Pubertät und der ersten Menstruation sowie die Entwicklung des Metabolischen Syndroms mit Adipositas in der Kindheit in Verbindung gebracht (Biro und Wien, 2010). In vielen sächsischen Landkreisen lässt sich ein Anstieg des Anteiles der Kinder mit Adipositas bei Schulaufnahmeuntersuchungen beobachten. In den Landkreisen Mittelsachsen und Nordsachsen ist der Anteil von adipösen Kindern vergleichsweise hoch (Abbildung 6-20). Seit 2007 hat sich der Anteil adipöser Kinder im Landkreis Nordsachsen von 2,8 Prozent auf 5,7 Prozent verdoppelt.
Fußnoten
130 https://www.zkpr.uni-bremen.de/forschung/testentwicklung/schulbereich/sopess/ (Abruf am 09.04.2015).