Bevölkerungsvorausberechnung
Mit der Bevölkerungsvorausberechnung werden künftige Veränderungen mit Blick auf Größe, Altersaufbau und Geschlechterverteilung der Bevölkerung quantifiziert. Die Bevölkerungsvorausberechnung macht die Langlebigkeit und die Beständigkeit bevölkerungsdynamischer Prozesse sichtbar. Sie liefert damit auf die Zukunft gerichtete Basisinformationen, welche für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse unverzichtbar sind.
Für Sachsen erstellt das Statistische Landesamt die Bevölkerungsvorausberechnung in zwei Varianten. Die Varianten unterscheiden sich im Hinblick auf die Annahmen zur Geburten-häufigkeit und Migration (siehe Kasten). Im Folgenden werden in der Regel Vorausberechnungen für beide Varianten dargestellt. Vereinzelt wird lediglich Variante 2 dargestellt, da diese voraussichtlich näher an der realen Bevölkerungsentwicklung zwischen 2016 und 2018 liegen wird.
In Sachsen wird den Vorausberechnungen in Variante 1 ein positiver Wanderungssaldo dazu führen, dass die Bevölkerung bis 2019 zunimmt. Danach setzt jedoch erneut ein Rückgang der Bevölkerung ein, der sich bis zum Jahr 2030 fortsetzt. Zu diesem Zeitpunkt wird eine Bevölkerungszahl von rund vier Millionen Menschen (Abbildung 3-13) erreicht sein.
Die bezüglich der Geburtenrate und des Wanderungssaldos pessimistischere Variante 2 der Vorausberechnung führt zu einem stetigen Rückgang der Bevölkerung bis deutlich unter 3,9 Millionen Menschen. Während die Bevölkerung in den Kreisfreien Städten Dresden und Leipzig zwischen 2015 und 2030 in Variante 2 um 7 Prozent und 9 Prozent wachsen wird, schrumpft die Bevölkerung in Kreisen wie dem Vogtlandkreis, dem Erzgebirge, Zwickau, Mittelsachsen, Bautzen und Görlitz, die bereits in den letzten Jahren einen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen hatten, weiterhin (Tabelle 3-2).
1990 | 2015 | 2030 (V1) | 2030 (V2) | 1990–2030 (V1) | 1990–2030 (V2) | 2015–2030 (V1) | 2015–2030 (V2) | |
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Sachsen | 4.776 | 4.085 | 3.997 | 3.851 | -16% | -19% | -2% | -6% |
Chemnitz, Stadt | 315 | 249 | 236 | 230 | -25% | -27% | -5% | -7% |
Erzgebirgskreis | 457 | 348 | 311 | 295 | -32% | -35% | -10% | -15% |
Mittelsachsen | 393 | 312 | 289 | 274 | -27% | -30% | -8% | -12% |
Vogtlandkreis | 296 | 232 | 213 | 201 | -28% | -32% | -8% | -13% |
Zwickau | 410 | 325 | 298 | 281 | -27% | -31% | -8% | -13% |
Dresden, Stadt | 511 | 544 | 592 | 583 | 16% | 14% | 9% | 7% |
Bautzen | 389 | 306 | 285 | 269 | -27% | -31% | -7% | -12% |
Görlitz | 367 | 260 | 233 | 224 | -37% | -39% | -11% | -14% |
Meißen | 288 | 245 | 237 | 226 | -18% | -22% | -3% | -8% |
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge | 275 | 247 | 241 | 231 | -12% | -16% | -3% | -7% |
Leipzig, Stadt | 557 | 560 | 618 | 609 | 11% | 9% | 10% | 9% |
Leipzig | 281 | 258 | 255 | 245 | -9% | -13% | -1% | -5% |
Nordsachsen | 236 | 198 | 191 | 182 | -19% | -23% | -3% | -8% |
Die bevölkerungsstrukturellen Indikatoren zeigen folgende Entwicklungen: Während der Jugendquotient nach 2015 in Sachsen wieder leicht zunimmt, steigt der Altenquotient zwischen 2015 und 2030 stark an (Abbildung 3‑14). Daraus ergibt sich ein Gesamtquotient (die Summe aus Jugendquotient und Altenquotient und damit ein Wert für den Anteil der abhängigen Bevölkerung), der von 71,1 im Jahr 2015 auf über 90 im Jahr 2030 zunimmt. Der Wert des Gesamtquotienten gibt an, wie groß der Anteil derer ist, die noch nicht oder nicht mehr aktiv am Arbeitsleben teilnehmen. Diese abhängige Bevölkerung leistet keinen wesentlichen, ökonomisch relevanten Beitrag und muss dementsprechend von der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter getragen werden. Der Jugendquotient ermöglicht zudem Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung.
Eine Zunahme der abhängigen Bevölkerung (unter 20 und über 64 Jahren) zeigt sich ebenfalls in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten. Der Jugendquotient nimmt in Variante 2 von 2015 bis 2030 in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten zu, am schwächsten mit gut drei Punkten in der Kreisfreien Stadt Chemnitz, am stärksten mit sieben Punkten in der Kreisfreien Stadt Leipzig. Beim Altenquotient zeigen sich bis 2030 deutlichere Unterschiede auf regionaler Ebene. In den Kreisfreien Städten Dresden und Leipzig nimmt das Verhältnis zwischen der alten und der erwerbsfähigen Bevölkerung nur leicht um drei und vier Punkte zu. Im Vogtlandkreis, in den Landkreisen Görlitz und Nordsachsen, aber auch im Landkreis Bautzen steigt der Altenquotient um teilweise deutlich über 25 Punkte. Im Erzgebirgskreis beträgt die Zunahme sogar über 30 Punkte. Der Gesamtquotient erreicht Werte zwischen 71 in der Kreisfreien Stadt Leipzig und 114 in Görlitz. Damit ist 2030 in allen Landkreisen Sachsens mit Ausnahme von Nordsachsen und Leipzig die Gruppe der abhängigen Bevölkerung (unter 20 Jahre sowie über 64 Jahre) größer als die der erwerbsfähigen Bevölkerung (Abbildung 3‑15).
Die Belastung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird aber in allen sächsischen Landkreisen zunehmen. Bereits im Jahr 2015 war der Anteil des Altenquotienten am Gesamtquotienten deutlich höher als der Anteil des Jugendquotienten. Bis 2030 wird der Anteil des Altenquotienten weiter steigen. Selbst in den Kreisfreien Städten Dresden und Leipzig kommt es bis 2030 zu einer − wenn auch vergleichsweise geringen − Zunahme der Jugend- und Altenquotienten.
Die ältere Bevölkerung wird nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Zahlen zunehmen (Abbildung 3‑16). Der Anstieg bis zum Jahr 2030 ergibt sich vor allem dadurch, dass die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge allmählich in diese Altersgruppe aufrücken. Zwischen den Varianten 1 und 2 der Bevölkerungsvorausberechnung ergeben sich keine großen Unterschiede, da der Einfluss der Zuwanderung in diesen Altersklassen sehr klein ist, deshalb wird hier auf eine entsprechende Darstellung der Varianten verzichtet.
Die Gruppe der Menschen im erwerbsfähigen Alter stellt nicht nur das Arbeitskräftereservoir dar, sondern umfasst auch den größten Teil der Frauen im gebärfähigen Alter. Für ökonomische, politische und gesellschaftliche Entscheidungen ist diese Gruppe daher von enormer Bedeutung. Die Zahl der Männer und Frauen in dieser Altersgruppe wird in beiden Varianten der Bevölkerungsvorausberechnung weiter sinken (Abbildung 3‑17). Eine höhere Nettozuwanderung und günstigere Annahmen zur Geburtenentwicklung werden diesen Trend demnach nur verlangsamen, aber kaum stoppen oder gar umkehren können.
Wird nur die Bevölkerung zu Beginn des Erwerbslebens (im Alter von 19 Jahren) und am Ende des Erwerbslebens (im Alter von 64 Jahren) betrachtet, zeigt sich bis 2010 ein ungefährer Gleichlauf zwischen dem Berufseinsteigerpotenzial und den Personen, die altersbedingt dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen werden (Abbildung 3‑18). Der Rückgang der Zahl der 64-Jährigen seit 2008 ist vermutlich eine direkte Folge des Zweiten Weltkrieges und der in dieser Zeit geringen Zahl an Geburten. Beispielsweise gehörten 1945 Geborene 2009 zur Gruppe der 64-Jährigen. Seit 2010 ist dagegen eine deutliche Lücke zwischen Berufseinsteigern und altersbedingten »Berufsaussteigern« zu erkennen. Diese Kluft wird bis 2030 bestehen bleiben. Durch die Schrumpfung der erwerbsfähigen Bevölkerung nimmt das Arbeitskräftepotenzial weiter ab.
Je nach Region wird die erwerbsfähige Bevölkerung unterschiedlich stark zurückgehen. Die Altersgruppe wird im Zeitraum von 2015 bis 2030 in den Kreisfreien Städten Dresden und Leipzig sogar etwas zunehmen, während sie im Erzgebirgskreis, in Mittelsachsen, im Vogtlandkreis, in Zwickau, Bautzen, Nordsachsen und Görlitz umso gravierender um über 20 Prozent zurückgehen wird (Abbildung 3‑19). Entsprechend setzt sich die Schrumpfung des Arbeitskräftepotenzials, die seit 1990 in Sachsen zu beobachten war, nahezu ungebremst bis 2030 fort. Selbst in den Kreisfreien Städten Dresden und Leipzig, die eine höhere Standortattraktivität und günstige wirtschaftliche und infrastrukturelle Rahmenbedingungen aufweisen, nimmt die Zahl erwerbsfähiger Personen nur leicht zu.
Die Veränderung in der Bevölkerungsstruktur wird besonders sichtbar in der Betrachtung der Alterspyramiden. Sie zeigen die Alterung der Gesellschaft zwischen 2015 und 2030 (Variante 2). Die Alterspyramiden bilden die Altersjahrgänge von der Geburt bis unter 85 Jahren ab (Abbildung 3‑20). Die oben beschriebenen Entwicklungen zeigen sich in einer signifikanten Veränderung von der Pyramiden- zur Pilzform. Ebenfalls sichtbar wird der Frauenüberschuss bei der Bevölkerung im Alter von 60 Jahren und mehr. Umgekehrt lag 2015 ein Männerüberschuss für die Jahrgänge der 25- bis unter 40-Jährigen vor. Bis 2030 wird der Männerüberschuss in diesen jüngeren Jahrgängen noch etwas zunehmen.
Die anzunehmenden positiven Wanderungssalden werden die negative Bevölkerungsentwicklung nicht kompensieren können (Abbildung 3‑21). Dies gilt auch für Variante 1 mit einer höheren Zuwanderungsannahme in dem Zeitraum zwischen 2015 und 2030.