Im Blickpunkt: Alleinerziehende in Sachsen
Was bedeutet »alleinerziehend«?
2015 gab es in Sachsen 93.400 Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern. Dabei ist die Lebensform »Alleinerziehend« zumeist kein Dauerzustand. Ein Viertel der Alleinerziehenden verlässt innerhalb der ersten drei Jahre diesen Status wieder.65 Da unter Alleinerziehenden in der Statistik Lebensformen verstanden werden, die ohne Partner mit Kindern in einem Haushalt zusammenleben66, ist nicht ausgeschlossen, dass sie einen Partner oder eine Partnerin haben, der beziehungsweise die außerhalb des Haushaltes lebt. Befragungen zufolge lebt fast jede dritte alleinerziehende Mutter in einer festen Beziehung.67
Anteil Alleinerziehender im Bundesvergleich
2015 gab es sowohl absolut (Abbildung 4-46) als auch anteilig an allen Familien mit minderjährigen Kindern mehr Alleinerziehende als 2005 (Abbildung 4-61). Allerdings waren es etwas weniger als noch im Vorjahr. Während in Sachsen fast ein Viertel der Familien Alleinerziehende sind, sind es im Bundesdurchschnitt mit 21 Prozent etwas weniger.
Wie Abbildung 4-62 zeigt, liegt Sachsen im Vergleich mit den anderen Bundesländern im Mittelfeld. In Ostdeutschland sowie in den Stadtstaaten ist der Anteil Alleinerziehender an den Familien mit minderjährigen Kindern deutlich höher als in Westdeutschland. In Berlin handelt es sich bei fast einem Drittel der Familien um Alleinerziehende. Von den neuen Bundesländern weist Sachsen den niedrigsten Anteil Alleinerziehender auf. Mit rund einem Viertel ist der Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften in Sachsen aber höher als in allen anderen Bundesländern.
Daten zum Anteil der Alleinerziehenden auf Ebene der Kreisfreien Städte und Landkreise liegen zuletzt für den Zensus 2011 vor. Es zeigt sich, dass der Anteil Alleinerziehender in den Städten höher war als in den Landkreisen. In der Stadt Leipzig waren ein Drittel der Familien alleinerziehend, während es im Erzgebirgskreis nur jede fünfte Familie war.68
Alleinerziehende Väter
2015 waren 88 Prozent der Alleinerziehenden Mütter. Allerdings ist der Anteil der Väter unter den Alleinerziehenden zwischen 2010 und 2014 gestiegen (Abbildung 4-63).
Familienstand Alleinerziehender
Aufgrund der geringen Heiratsneigung in Sachsen verwundert es nicht, dass der überwiegende Teil der Alleinerziehenden ledig ist (Abbildung 4-64, vergleiche Kapitel Familien mit minderjährigen Kindern). Seit 2005 ist der Anteil Lediger zudem von 50 auf 57 Prozent angestiegen. 2015 waren 28 Prozent der Alleinerziehenden geschieden, weitere 11 Prozent verheiratet, aber getrennt lebend. 4 Prozent waren verwitwet.
Anzahl der Kinder
Der Anteil der Mehrkindfamilien ist auch bei den Alleinerziehenden gestiegen (Abbildung 4-65). 2005 hatten nur 23 Prozent der Alleinerziehenden zwei oder mehr minderjährige Kinder, 2015 war es ein Drittel. Allerdings finden sich Mehrkindfamilien nach wie vor am häufigsten bei Ehepaaren. Auch nichteheliche Lebensgemeinschaften haben häufiger zwei oder drei und mehr minderjährige Kinder als Alleinerziehende.
Ausbildungsabschluss
Alleinerziehende haben überwiegend eine Lehrausbildung beziehungsweise einen Berufsfachschulabschluss. Nur 14 Prozent der Alleinerziehenden haben einen Fachhoch- oder Hochschulabschluss, fast genauso viele haben keinen beruflichen Ausbildungsabschluss. Bei Ehepaaren hat die Familienbezugsperson – in der Regel der Mann (siehe Fußnote 70) – fast doppelt so häufig einen Fachhoch- oder Hochschulabschluss und in nur 4 Prozent keinen beruflichen Ausbildungsabschluss.
Beteiligung am Erwerbsleben
Alleinerziehende in Sachsen sind überwiegend erwerbstätig. 2015 lag die Erwerbstätigenquote bei 73 Prozent – immerhin 11 Prozentpunkte über der Quote von 2005. 2005 war noch ein Viertel der Alleinerziehenden erwerbslos, 2015 war es nur noch jede/r Zehnte. Der Anteil der Nichterwerbspersonen – zum Beispiel Hausfrauen (siehe Fußnote 61) – lag 2015 bei 17 Prozent.
Vergleicht man die Erwerbstätigenquoten von alleinerziehenden Müttern und Müttern aus Paarfamilien71, so zeigt sich, dass Mütter aus Paarfamilien in Sachsen häufiger erwerbstätig sind als alleinerziehende Mütter (Abbildung 4-68). Allerdings hat seit 2005 eine Annäherung der Erwerbstätigenquoten stattgefunden. Die Differenz ist von 13,1 auf 8,5 Prozentpunkte gesunken. Sowohl bei den Alleinerziehenden als auch bei den Müttern aus Paarfamilien ist der Anteil derer, die in Teilzeit arbeiten, von 39 Prozent im Jahr 2005 auf etwa die Hälfte im Jahr 2015 gestiegen.
SGB-II-Bezug
Die SGB-II-Bezugsquote von Alleinerziehenden war seit 2006 stark rückläufig (Abbildung 4-69). Zwar bezieht in Sachsen immer noch ein höherer Anteil Alleinerziehender SGB-II-Leistungen als in Deutschland insgesamt, die Quoten haben sich jedoch deutlich angenähert. Bei den Paarfamilien zeigt sich eine ähnliche Entwicklung, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau. Sie beziehen mit einer Quote von 8 Prozent sehr viel seltener SGB-II-Leistungen als Alleinerziehende mit 42 Prozent.
Lebensunterhalt
Alleinerziehende können zunehmend ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Erwerbstätigkeit finanzieren (Abbildung 4-70). 2005 war dies nur der Hälfte der Alleinerziehenden möglich, 2015 waren es 65 Prozent. Ein Viertel von ihnen bestreitet allerdings immer noch den überwiegenden Lebensunterhalt aus Arbeitslosengeld I oder II. Bei den Bezugspersonen in Paarfamilien ist dies nur bei 5 Prozent der Fall. Dies liegt daran, dass es sich bei den Bezugspersonen in Paarbeziehungen meist um die Väter handelt72 und diese zumeist in Vollzeit erwerbstätig sind (Abbildung 4-55).
Aufgrund der besseren Berufsausbildung der Bezugspersonen in Paaren gegenüber den Alleinerziehenden (Abbildung 4-66) ist zudem davon auszugehen, dass diese auch höhere Einkommen erzielen.
Unterhaltsvorschuss
Die zunehmende Erwerbstätigkeit der Alleinerziehenden trägt möglicherweise auch dazu bei, dass die Inanspruchnahme von Unterhaltsvorschussleistungen in Sachsen leicht rückläufig ist. Der Unterhaltsvorschuss ist eine familienbezogene Bundesleistung, den Alleinerziehende erhalten, die keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt vom anderen Elternteil erhalten. Wenn der andere Elternteil durch zunehmende Erwerbstätigkeit vermehrt Unterhalt leisten kann und/oder Alleinerziehende durch Erwerbsarbeit selbst für den Lebensunterhalt sorgen können, sind sie seltener auf Unterhaltsvorschussleistungen angewiesen.74
Im Jahr 2015 haben rund 31.000 Alleinerziehende Unterhaltsvorschussleistungen bezogen. Damit liegt der absolute Wert der Leistungsbezieher kaum über dem Wert von 2005 (rund 30.400 Leistungsbezieher), obwohl die Anzahl der Alleinerziehenden von 85.600 (2005) auf 93.400 (2015) gestiegen ist.75
Eine andere mögliche Erklärung für den Rückgang der Leistungsbezieher ist die zunehmende Erwerbstätigenquote von Vätern in Sachsen insgesamt. Durch eigene Erwerbstätigkeit sind möglicherweise mehr Väter, die getrennt von ihren Partnerinnen und Kindern leben, in der Lage, Unterhaltsleistungen zu erbringen; in der Folge sind Beantragung und Bezug von Unterhaltsvorschuss nicht erforderlich.
Haushaltseinkommen
Wie bereits berichtet, fielen die Einkommenszuwächse von Alleinerziehenden deutlich geringer als die von Paaren mit minderjährigen Kindern aus (26 gegenüber 41%). Der Median des äquivalenzgewichteten monatlichen Haushaltsnettoeinkommens (vergleiche: Einkommen und Vermögen (Fußnote 26)) lag 2015 bei Alleinerziehenden mit einem minderjährigen Kind bei 976 Euro, bei Alleinerziehenden mit zwei oder mehr minderjährigen Kindern bei 898 Euro (Abbildung 4-72). Der Zuwachs seit 2005 fiel bei Alleinerziehenden mit zwei oder mehr minderjährigen Kindern mit 29 Prozent etwas höher aus als bei denjenigen mit nur einem Kind (26%).
Der niedrigere Einkommenszuwachs ist wohl ein Grund dafür, dass die Armutsgefährdungsquote von Alleinerziehenden nicht gesunken ist (vergleiche Abbildung 4-26).
Wohnsituation
Alleinerziehende verfügen nur selten über Wohneigentum. Zwar ist der Anteil von 8 Prozent im Jahr 2003 auf 17 Prozent im Jahr 2013 gestiegen, Paare mit einem Kind und Paare mit zwei und mehr Kindern verfügten mit 42 beziehungsweise 60 Prozent auch 2013 deutlich häufiger über Wohneigentum. Dies hat zum einen damit zu tun, dass Alleinerziehende häufiger in den Städten wohnen76, wo Mietwohnungen häufiger sind, zum anderen liegt es an den begrenzten finanziellen Mitteln von Alleinerziehenden (vergleiche Abbildung 4-16 bis Abbildung 4-18).
Konsumausgaben
Alleinerziehende geben nur sehr wenig Geld für den Aufbau von Vermögen aus, da sie einen höheren Anteil ihres ausgabefähigen Einkommens für den Konsum aufwenden müssen (Abbildung 4-74). Während es bei den Alleinerziehenden 2013 86 Prozent (dies entspricht Ausgaben in Höhe von 1.744 Euro bei ausgabefähigen Einkommen und Einnahmen in Höhe von 2.019 Euro) waren, betrugen die Aufwendungen für den Konsum bei Paaren mit minderjährigen Kindern nur 74 Prozent.77 Absolut entspricht dies Aufwendungen für den Konsum in Höhe von 2.935 Euro bei ausgabefähigen Einkommen und Einnahmen in Höhe von 3.951 Euro.
Dass Alleinerziehende kaum sparen können, hat mehrere negative Konsequenzen: Anschaffungen oder Reparaturen von Haushaltsgeräten oder der Jahresurlaub mit Kindern stellen für sie besondere finanzielle Belastungen dar. Auch die vielfach nicht mögliche private Altersvorsorge erhöht für Alleinerziehende das Risiko der Altersarmut.
Fußnoten
65 BMFSFJ (2017): Familienreport 2017: Leistungen, Wirkungen, Trends. Berlin. S.19
66 Zu diesem Haushalt können noch weitere Personen und damit Lebensformen gehören, zum Beispiel ein Elternteil der/des Alleinerziehenden, also Großelternteil des Kindes.
67 Ebenda.
68 Statistisches Landesamt Sachsen: Haushalte, Familien, Wohnsituation: Ergebnisse des Zensus 2011.
69 Lehrausbildung, gleichwertiger BFS-Abschluss einschließlich Kollegschule, einjährige Schule des Gesundheitswesens, Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst in der öffentlichen Verwaltung und Anlernausbildung/berufliches Praktikum der Geburtsjahrgänge bis 1953; Meister-/Technikerausbildung, Fachschule einschließlich zwei- oder dreijährige Schule des Gesundheitswesens, Fach- oder Berufsakademie; Fachhoch-/Hochschulabschluss einschließlich Ingenieurschulabschluss und Verwaltungsfachhochschule.
70 Die Bezugsperson ist bei Ehepaaren der Ehemann, bei nichtehelichen (gemischtgeschlechtlichen) Lebensgemeinschaften der männliche Lebenspartner, bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften der/die ältere Lebenspartner/in, bei Alleinerziehenden der alleinerziehende Elternteil und bei Alleinstehenden die Person selbst. Bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gleichaltriger Partner entscheidet die Reihenfolge, in der die Lebenspartner im Fragebogen eingetragen sind. Bezugsperson der Lebensgemeinschaft ist der Lebenspartner mit der niedrigeren Personennummer. Personen unter 15 Jahren sind als Bezugsperson der Lebensform ausgeschlossen.
71 Aufgrund der geringen Fallzahl liegen keine vergleichbaren Daten zu alleinerziehenden Vätern vor.
72 Die einzige Ausnahme bilden gleichgeschlechtliche Frauen-Paare.
73 Vergleiche Fußnote 62 und 63
74 Dabei ist zu beachten, dass die Leistung sich an die betroffenen Kinder richtet und unabhängig vom Einkommen des alleinerziehenden Elternteiles gezahlt wird.
75 Mit der Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes wurden zum 1. Juli 2017 die Leistungen ausgeweitet. Da Unterhaltsvorschuss nun für einen längeren Zeitraum bezogen werden kann und die Höchstbezugsdauer aufgehoben wurde, ist perspektivisch mit einem Anstieg der Leistungsbezieher zu rechnen. Dies ist jedoch in den Daten noch nicht abzusehen, weil der Sozialbericht den Zeitraum von 2005 bis 2015 betrachtet.
76 Zum Zeitpunkt des Zensus lebten 37 Prozent der Alleinerziehenden in den Kreisfreien Städten Leipzig, Dresden und Chemnitz. Von den nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern waren es nur 33 Prozent, von den Ehepaaren mit Kindern nur 27 Prozent (Statistisches Landesamt Sachsen: Haushalte, Familien, Wohnsituation: Ergebnisse des Zensus 2011). Mieter in Ballungszentren sind zudem stärker von Mieterhöhungen betroffen, was sich wiederum negativ auf das verfügbare Einkommen auswirkt.
77 Zu den Konsumausgaben zählen Ausgaben für Käufe und unterstellte Käufe (Entnahmen aus dem eigenen Betrieb, Mietwert der Eigentümerwohnungen, Deputate und Ähnliches) von Waren sowie die Zahlungen für Dienstleistungen und Reparaturen. Die privaten Konsumausgaben enthalten keine Ausgaben für direkte Steuern, Versicherungen, Übertragungen an andere private Haushalte oder Organisationen sowie Tilgung und Verzinsung von Krediten. Dies gilt auch für die Käufe von Grundstücken und Gebäuden sowie für Ausgaben zur Bildung von Geldvermögen.