Sozioökonomische Lagen der Familien
Schule und Bildung
Die Bildungsabschlüsse in Sachsen sind zwischen den Männern und Frauen nicht homogen verteilt. Es gibt deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede: Frauen erreichen häufiger einen höheren Schulabschluss als Männer.
Abbildung 4-51 hebt die höheren Bildungsabschlüsse der Frauen hervor, die die Männer bezüglich des Bildungsniveaus in den letzten Jahrzehnten überholt haben. So hatten 2015 in der Altersgruppe der 25- bis unter 35-Jähringen und der 35- bis unter 45-Jährigen um 7 beziehungsweise 6 Prozentpunkte mehr Frauen eine Fachhochschul- beziehungsweise Hochschulreife als Männer. Ab 55 Jahren und älter kehrt sich dies um. So haben in der Altersgruppe der über 65-Jährigen lediglich 11 Prozent der Frauen die Fachhochschul- beziehungsweise Hochschulreife wohingegen es 26 Prozent der Männer sind. Es wird deutlich, dass jüngere Frauen ein höheres Bildungsniveau aufweisen als Männer. Diese Verschiebung des Bildungsniveaus entspricht der deutschlandweiten Entwicklung. Auch bundesweit haben mehr Frauen als Männer im Alter bis unter 45 Jahren eine Fachhochschul- beziehungsweise Hochschulreife.
Die besseren Bildungserfolge der Frauen werden auch mit Blick auf das Jahr 2015 deutlich. In Sachsen beendeten 36 Prozent der Mädchen und 29 Prozent der Jungen ihre Schulausbildung mit der allgemeinen Hochschulreife (Abbildung 4-52). Demgegenüber hatten 7 Prozent der Mädchen und 10 Prozent der Jungen keinen Hauptschulabschluss. Jungen haben demnach nicht nur seltener die allgemeine Hochschulreife, sondern gehen auch häufiger ohne Abschluss von der Schule.
Bei den Abschlüssen an berufsbildenden Schulen hat sich der Anteil der Jungen und Mädchen in Sachsen zwischen 2005 und 2015 angeglichen; 2015 waren es jeweils 50 Prozent. Allerdings verlassen Jungen (12%) häufiger die Berufsschule ohne Abschluss als Mädchen (8%). Der Anteil der jungen Frauen und Männer, der die berufsbildende Schule mit allgemeiner Hochschulreife oder Fachhochschulreife verlässt, ist mit jeweils 6 beziehungsweise 8 Prozent gering.
Bei besuchter Schulform und Schulerfolg gibt es deutliche regionale Unterschiede (Abbildung 4-53). In Dresden erlangten beispielsweise 40 Prozent der Schüler 2015 die allgemeine Hochschulreife, wohingegen es im Erzgebirgskreis lediglich 24 Prozent waren. Demgegenüber haben in der Stadt Leipzig 11 Prozent der Schüler ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen; im Vogtlandkreis und im Landkreis Meißen waren dies mit 6 Prozent nur knapp die Hälfte.
Diese regionalen Unterschiede sind auffällig, aber nicht systematisch. Von daher kann nicht von einem Stadt-Land-Gefälle bei der Schulbildung in Sachsen gesprochen werden. Regionale Disparitäten lassen sich auch bundesweit beobachten. Mögliche Gründe sind bei dem vorgehaltenen Schulangebot und bei der sozioökonomischen Struktur in den Regionen zu finden (IFS und IfE, 2014).
Abbildung 4-54 stellt die Übergangsquoten von der Grundschule auf das Gymnasium in Sachsen nach Geschlecht dar. Von 2005/06 bis 2015/16 wechselten durchschnittlich knapp 4 Prozent mehr Mädchen von der Grundschule auf das Gymnasium als Jungen. Trotz steigender absoluter Schülerzahlen in den Schuljahren 2007/08 bis 2009/10 blieb die Übergangsquote gleich beziehungsweise sank sogar. Die Übergangsquote hat sich seit 2011/12 an den Bundesdurchschnitt von zuletzt circa 40 Prozent im Schuljahr 2015/16 angeglichen.
Aus Studien zum Bildungserfolg (Bos et al., 2012) ist bekannt, dass das Elternhaus einen wesentlichen Einfluss auf die Schulkarrieren der Kinder hat. Dieser Befund gilt auch für Sachsen: 2015 hatten Gymnasiasten in Sachsen im Schnitt dreimal so häufig Eltern mit allgemeiner Hochschulreife wie Schüler, die die Ober- beziehungsweise Mittelschule besuchen. Im Gegensatz zu den Eltern der männlichen Gymnasiasten haben die der Mädchen seltener die allgemeine Hochschulreife. Die soziale Vererbung der Bildung wird ebenso deutlich wie der Umstand, dass Mädchen häufiger als Jungen einen höheren Schulabschluss als den der Eltern erzielen.
Beteiligung am Erwerbsleben
Mit der Familiengründung verändert sich die Teilnahme am Erwerbsleben. Vergleicht man die Erwerbstätigenquoten von 25- bis unter 45-jährigen Frauen und Männern mit und ohne minderjährige Kinder, so zeigt sich, dass Väter häufiger erwerbstätig sind als Männer ohne Kinder, Mütter hingegen seltener als Frauen ohne Kinder.
Die Erwerbstätigenquoten von Müttern und Vätern sind seit 2005 um 7 beziehungsweise 8 Prozentpunkte angestiegen (Abbildung 4-55). Diese Entwicklung ist nicht allein mit der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu erklären. Vielmehr folgt insbesondere die steigende Müttererwerbstätigkeit einem bundesweiten Trend: Mütter haben den Wunsch, auch dann erwerbstätig zu sein, wenn die Kinder noch klein sind. Das impliziert auch, dass Mütter mit jüngeren Kindern den Wunsch haben, ihre Erwerbstätigkeit auszudehnen (Lietzmann und Wenzig, 2017).
Durch das Elterngeld (s.u.) und durch den Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur werden in Sachsen Mütter bei der Realisierung dieses Wunsches unterstützt. Dies wird im Detailblick sichtbar: In Sachsen ist von 2006 bis 2015 die Erwerbstätigenquote von Müttern aus Paarfamilien unter 3-Jähriger von 52 auf 66 Prozent angestiegen. Im selben Zeitraum ist die Besuchsquote von Kindern unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege von 33 auf 51 Prozent angewachsen.
Bemerkenswert ist der Anstieg der Teilzeitquote von Müttern. Sie ist in den vergangenen 10 Jahren um rund 12 Prozentpunkte angestiegen. Mittlerweile ist jede zweite Mutter in Sachsen in Teilzeit erwerbstätig. Das bedeutet, dass sich das Erwerbsverhalten der sächsischen Mütter an jenes der westdeutschen Mütter annähert. Jedoch wurde nicht untersucht, in welchem Stundenpensum Mütter in Sachsen erwerbstätig sind und ob ihre Teilzeittätigkeiten zu einem existenzsichernden Einkommen führen. Zu diesen Fragestellungen besteht weiterer Forschungsbedarf.
Der Anstieg der Erwerbsbeteiligung zeigt sich auch in den Erwerbskonstellationen von Paaren mit minderjährigen Kindern. Der Anteil der Paare, bei denen beide Partner erwerbstätig sind, stieg von 66 Prozent im Jahr 2005 auf 77 Prozent im Jahr 2015. Sowohl der Anteil der Einverdiener-Familien als auch der der Paare, die nicht erwerbstätig sind, war hingegen rückläufig. Dies ist eine positive Entwicklung, da Studien zeigen, dass Erwerbstätigkeit beider Elternteile der beste Schutz gegen Armut ist (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2017), S.50f).
Elterngeld in Sachsen
An der Schnittstelle zwischen Erwerbstätigkeit und Familiengründung wirkt das Elterngeld. Bei dieser familienbezogenen Leistung des Bundes handelt es sich um eine Lohnersatzleistung, deren Bemessungsgrundlage das monatliche Nettoeinkommen vor der Geburt ist.
Die Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 hat in Verbindung mit dem Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur dazu beigetragen, dass die Erwerbstätigkeit der Mütter von Kindern im Alter unter drei Jahren bundesweit angestiegen ist. In Sachsen ist von 2006 bis 2015 die Erwerbstätigenquote von Müttern aus Paarfamilien unter 3-Jähriger von 52 auf bemerkenswerte 66 Prozent angestiegen. Zudem tragen die Partnermonate dazu bei, dass immer mehr Väter für einen befristeten Zeitraum ihre Arbeitsstunden reduzieren oder eine Zeit lang ganz aus der Erwerbstätigkeit aussteigen, um Zeit für die Familie zu haben.
Im Bundesvergleich nimmt Sachsen die Spitzenposition bei der Väterbeteiligung am Elterngeld ein. In Sachsen haben 44 Prozent der Väter, deren Kinder im Jahr 2014 geboren wurden, die Leistung in Anspruch genommen. Bundesweit waren es 34 Prozent (Abbildung 4-57).
In Sachsen ist – ebenso wie in allen anderen Bundesländern – die Väterbeteiligung am Elterngeld kontinuierlich angestiegen. Dieser Befund trifft auch auf die Landkreise und Kreisfreien Städte in Sachsen zu. In Dresden nimmt aktuell mehr als jeder zweite Vater Elterngeld in Anspruch. Zudem ist die Väterbeteiligung am Elterngeld im Landkreis Bautzen (46%) sowie in der Kreisfreien Stadt Leipzig (45%) überdurchschnittlich hoch.
Als Gründe für die Varianz bei der Väterbeteiligung gelten die Erwerbstätigkeit der Mütter sowie das lokale Kinderbetreuungsangebot, das die Nutzung von Elterngeld durch Väter ebenfalls beeinflusst. Für Sachsen wurde in einer Studie gezeigt, dass die hohe Inanspruchnahme väterlicher Elternzeit mit der Erwerbsbeteiligung von Vätern wie Müttern sowie den im Bundesvergleich geringeren Einkommensdifferenzen zwischen den Geschlechtern zusammenhängt (Prognos, 2012).
Im Durchschnitt wird das Elterngeld von Vätern in Sachsen rund drei Monate lang bezogen; Mütter in Sachsen beziehen es knapp zwölf Monate. Damit entspricht die geschlechtsspezifische Bezugsdauer ungefähr dem Bundesdurchschnitt.
Die sächsischen Väter, deren Kinder im Jahr 2014 geborenen wurden, bezogen ein durchschnittliches Elterngeld in Höhe von 996 Euro im Monat. Ihr Elterngeldanspruch liegt über dem Anspruch der Mütter, der sich im Durchschnitt auf 720 Euro belief. Gründe für diese Differenz sind das unterschiedliche Erwerbsverhalten und die unterschiedlichen Erwerbslöhne. Väter arbeiten häufiger in Vollzeit und realisieren höhere Löhne. Dies spiegelt sich im Elterngeld mit seiner Lohnersatzfunktion wider.
Lebensunterhalt von Familien
Infolge der steigenden Erwerbstätigkeit konnten in immer mehr Familien die Bezugspersonen ihren überwiegenden Lebensunterhalt aus Erwerbstätigkeit bestreiten.
Der Anteil stieg zwischen 2005 und 2015 von 75 auf 84 Prozent. Der Anteil der Bezugspersonen von Familien, die auf Arbeitslosengeld I oder II angewiesen waren, sank hingegen von 19 auf 10 Prozent. Der Anteil der Bezugspersonen von Familien, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus sonstigen Einkommen finanzieren, lag stabil bei etwa 6 Prozent.
Kinderzuschlag
Der Kinderzuschlag (KiZ) ist eine familienpolitische Leistung des Bundes. Er ist darauf ausgerichtet, die Familien zu unterstützen, deren Erwerbseinkommen ausreicht, den Bedarf der Eltern zu decken, nicht aber den Bedarf der Kinder. Eine Anspruchsvoraussetzung ist, dass das Einkommen der Familie eine definierte Mindesteinkommensgrenze überschreitet und eine Höchsteinkommensgrenze nicht übersteigt.
Im Jahr 2015 lebten in Sachsen 6.945 Kinder in Familien, die den KiZ erhalten haben. Der überwiegende Teil der Kinder war minderjährig: rund 39 Prozent waren bis zu 6 Jahre alt, rund 44 Prozent waren zwischen 7 und 13 Jahre alt und rund 15 Prozent waren 14 bis 17 Jahre alt. Volljährige Kinder machten nur rund 2 Prozent aus. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 14,4 Millionen Euro als KiZ ausgezahlt.
Im Vergleich zum Jahr 2010, als 9.988 Kinder im KiZ-Bezug waren, ist die Anzahl deutlich zurückgegangen. Ursächlich dafür kann die wirtschaftliche Situation der Familien in Sachsen sein, die sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat. Der Bezug des KIZ ist nämlich an bestimmte Einkommensgrenzen gekoppelt. Bei Überschreiten der Höchsteinkommensgrenze – beispielsweise in Folge einer ausgedehnten Erwerbstätigkeit der Mütter – entfällt die Leistung.
Eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der Interpretation der Zahl der Kinder im KiZ besteht darin, dass die Leistung bundesweit wenig bekannt ist und nur 30 Prozent der Familien, die Anspruch auf den KiZ haben, ihn auch beantragen.64 Es gibt keine Hinweise, dass die Situation in Sachsen in Bezug auf Bekanntheit und Inanspruchnahme des Kinderzuschlages positiver ist.
Fußnoten
60 Volks-/Hauptschule: ab 2010: einschließlich Abschluss der achten oder neunten Klasse der Polytechnischen Oberschule der ehemaligen DDR; Realschule: bis 2009: einschließlich Abschluss der Polytechnischen Oberschule der ehemaligen DDR; ab 2010: einschließlich Abschluss der zehnten Klasse der Polytechnischen Oberschule der ehemaligen DDR;
Ohne Schulabschluss: einschließlich Kinder unter 15 Jahren, Schüler an allgemeinbildenden Schulen;
Ohne Angabe: einschließlich Abschluss nach höchstens sieben Jahren Schulbesuch
61 Erwerbstätige: Alle Personen im Alter von 15 und mehr Jahren, die in der Berichtswoche einer – auch geringfügigen und nicht zum Lebensunterhalt ausreichenden – Tätigkeit zum Zwecke des Erwerbs nachgehen, gelten als Erwerbstätige (Soldaten, Personen im freiwilligen Wehrdienst und im Freiwilligendienst). Personen, die zwar in der Berichtswoche nicht gearbeitet haben, jedoch in einem Arbeitsverhältnis stehen, gelten ebenfalls als Erwerbstätige, wenn sie nicht länger als drei Monate von der Arbeit abwesend sind.
Erwerbslose: Erwerbslose sind Personen, die in der Berichtswoche keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, sich als arbeitslos und/oder Arbeit suchend bezeichnen und innerhalb von zwei Wochen eine neue Tätigkeit aufnehmen können. Sie sind nicht mit den Arbeitslosen, die über die Agentur für Arbeit erfasst werden, gleichzusetzen. Andererseits zählen Arbeitslose, die vorübergehend geringfügige Tätigkeiten ausüben nicht zu den Erwerbslosen, sondern zu den Erwerbstätigen.
Nichterwerbspersonen: Alle Personen, die noch nicht oder nicht mehr im Erwerbsleben stehen (zum Beispiel Schulkinder, Rentner, Hausfrauen) sind Nichterwerbspersonen. Seit 2005 gelten Personen, die nicht innerhalb von zwei Wochen eine neue Tätigkeit aufnehmen können, nicht mehr als Erwerbslose, sondern als Nichterwerbspersonen. Personen unter 15 Jahren zählen grundsätzlich zu den Nichterwerbspersonen.
Teilzeitbeschäftigung: Die Zuordnung als Teilzeitbeschäftigte beruht auf der Selbsteinstufung der Befragten, wobei die normalerweise zu leistende wöchentliche Arbeitszeit maximal 36 Arbeitsstunden in der Woche betragen darf.
62 Arbeitslosengeld I/II: einschließlich Sozialgeld, laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung unter anderem Hilfen in besonderen Lebenslagen; bis 2006: einschließlich Asylbewerberleistungen;
Sonstiges: Rente, Pension, Angehörige, eigenes Vermögen, Ersparnisse, Zinsen, Vermietung, Verpachtung, Altenteil, Lebensversicherung, Versorgungswerk, sonstige Unterstützungen wie BAföG, Vorruhestandsgeld, Stipendien, Leistungen aus einer Pflegeversicherung, Pflegegeld für Pflegekinder oder -eltern, Krankengeld, Elterngeld/Erziehungsgeld, ab 2007: einschl. Asylbewerberleistungen
63 Die Daten beziehen sich auf den überwiegenden Lebensunterhalt der Bezugsperson der Familien (zur Bezugsperson im Mikrozensus vergleiche Fußnote 70). Bei diesem handelt es sich nicht zwingend um den Haupteinkommensbezieher. In diesem Fall kann es sein, dass der überwiegende Lebensunterhalt der Bezugsperson nicht dem überwiegenden Lebensunterhalt der Familie entspricht (Beispiel: Der Vater ist Bezugsperson und bezieht ALG I. Die Mutter ist Vollzeiterwerbstätig mit gutem Einkommen. Diese Familie lebt vermutlich nicht überwiegend von ALG I).
64 Vergleiche Prognos (2014).