Kinder in öffentlich geförderter Kinderbetreuung
Immer mehr Kinder werden außerhalb der eigenen Familie betreut und (mit-)erzogen. Diese Entwicklung ist bundesweit ebenso wie in Sachsen zu beobachten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen ist es der Wunsch einer Mehrheit von Müttern und Vätern, auch dann berufstätig zu sein, wenn die Kinder noch klein sind. Die staatlich geförderte Kindertagesbetreuungsinfrastruktur schafft dafür die Grundlage. Die Betreuungsangebote wurden in den vergangenen Jahren deutschlandweit ausgebaut.
Betreuungsquoten
Die Anzahl der betreuten Kinder ist in den letzten Jahren sowohl in Sachsen als auch in Deutschland insgesamt kontinuierlich angestiegen.85 Dabei lagen die Betreuungsquoten in Sachsen über dem Bundesdurchschnitt (Abbildung 4-83).
In der Altersklasse der 3- bis unter 6-Jährigen ist der Unterschied zwischen Deutschland und Sachsen kaum ausgeprägt. Ursächlich dafür dürfte sein, dass bundesweit bereits seit 1996 ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab drei Jahren besteht. 2015 lag die Betreuungsquote der 3- bis unter 6-Jährigen in Sachsen bei 97, in Deutschland bei 95 Prozent. 2015 wurden in allen Bundesländern über 90 Prozent der 3- bis 6-Jährigen betreut, am geringsten fiel die Quote mit 91 Prozent in Bremen aus, am höchsten mit rund 97 Prozent in Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Thüringen und Sachsen.86 Innerhalb Sachsens lagen die Betreuungsquoten zwischen 94 Prozent im Erzgebirgskreis und 100 Prozent in der Kreisfreien Stadt Dresden.87
Der Anteil der Kinder unter drei Jahren, die extern betreut werden, ist deutlich geringer. In Sachsen wird jedes zweite Kind (51%) in dieser Altersgruppe in einer Kindertageseinrichtung oder in der geförderten Kindertagespflege betreut und erzogen. Bundesweit gilt dies nur für 33 Prozent der Kinder.
In dieser Altersgruppe der unter 3-Jährigen wird das Betreuungsgefälle zwischen West- und Ostdeutschland deutlich: In den alten Bundesländern reichen die Quoten von nur knapp 26 Prozent (Nordrhein-Westfalen) bis 31 Prozent (Schleswig-Holstein), in den neuen Bundesländern liegen sie deutlich darüber: Sie reichten von 51 Prozent in Sachsen bis 58 Prozent in Sachsen-Anhalt. Innerhalb Sachsens wies wiederum der Erzgebirgskreis mit 44 Prozent die niedrigste Betreuungsquote auf, die höchste fand sich im Landkreis Nordsachsen mit rund 59 Prozent.
Die Unterschiede zwischen West und Ost sind historisch bedingt, da die DDR ein umfassendes staatliches Kinderbetreuungsangebot bereitgestellt hat. Die Familien in Ostdeutschland können und konnten auf eine bestehende Infrastruktur zurückgreifen, die im Westen fehlte. Vor diesem Hintergrund genießen erwerbstätige Mütter in Ostdeutschland mit extern betreuten Kindern eine breite gesellschaftliche Akzeptanz. In Westdeutschland ist dagegen das Hausfrauenmodell mit männlichem Alleinverdiener noch stärker verbreitet.
Neben diesen Unterschieden ist bemerkenswert, dass die Betreuungsquote der unter 3-Jährigen in den letzten Jahren sehr dynamisch gestiegen ist – von 33 Prozent im Jahr 2006 auf 51 Prozent im Jahr 2015. Ursächlich dafür sind die Wünsche der Eltern, ihre Kinder betreuen zu lassen, um Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können. Seit 2013 besteht ein bundesweiter Rechtsanspruch auf Betreuungsangebote für unter dreijährige Kinder.
Bei der Interpretation der Daten ist jedoch zu beachten, dass im ersten Lebensjahr viele Eltern ihre Kinder Zuhause betreuen. Dies wird durch das Elterngeld begünstigt, das den Eltern im ersten Lebensjahr des Kindes einen finanziellen »Schonraum« eröffnet.88 Daher fällt die Betreuungsquote der 1- bis unter 3-Jährigen deutlich höher aus; sie lag in Sachsen 2015 bei rund 75 Prozent.
Für die regionale Betrachtung der Betreuungsquote wird daher auf die 1- bis unter 3-Jährigen fokussiert. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Betreuungsquote reicht von rund 64 Prozent im Erzgebirgskreis bis rund 85 Prozent im Landkreis Nordsachsen.
Betreuungsumfang
In Sachsen werden heutzutage nicht nur mehr Kinder extern betreut als noch vor zehn Jahren, auch der zeitliche Betreuungsumfang hat zugenommen. In den letzten Jahren hat sich der Anteil der Nichtschulkinder, die mehr als sieben Stunden in Kindertageseinrichtungen betreut werden, deutlich vergrößert (Abbildung 4‑85). Wurden 2006 noch rund 64 Prozent länger als sieben Stunden pro Tag in Kindertageseinrichtungen betreut, waren es 2015 bereits 83 Prozent (siehe dazu Hinweis in Fußnote 89). Der Anteil der Kinder, die bis einschließlich sieben Stunden in einer Kindertageseinrichtung waren, ist dagegen rückläufig.
Landeserziehungsgeld
Sachsen gewährt als einziges Bundesland neben Bayern Eltern ein Landeserziehungsgeld. Das Landeserziehungsgeld ist, anders als das Elterngeld, keine Lohnersatzleistung, sondern eine einkommensabhängige Sozialleistung für Eltern mit kleinen und mittleren Einkommen. Die Leistung zielt darauf auf ab, Eltern zu unterstützen, die ihr Kind häuslich betreuen wollen. Sofern das Kind in einer staatlich geförderten Kindertageseinrichtung oder in der Tagespflege betreut wird, ist eine Inanspruchnahme des Landeserziehungsgeldes in aller Regel ausgeschlossen.
Für Kinder, die im Jahr 2012 geboren wurden, wurde 9.455 Müttern und Väter Landeserziehungsgeld bewilligt. Insgesamt wurde für rund jedes vierte Lebendgeborene (27%) im Jahr 2012 Landeserziehungsgeld bewilligt. Für im Jahr 2006 geborenen Kinder belief sich der Anteil der Bewilligungen an Lebendgeborenen noch auf 45 Prozent. Das bedeutet, dass trotz steigender Geburtenzahlen das Landeserziehungsgeld seltener in Anspruch genommen wird.
Der Rückgang der Bewilligungen des Landeserziehungsgeldes kann mit der zunehmenden Inanspruchnahme staatlich geförderter Kinderbetreuung erklärt werden. Im betrachteten Zeitraum von 2006 bis 2012 ist die Besuchsquote von Kindern unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege von 33 auf 47 Prozent angestiegen. Die günstige wirtschaftliche Lage führte zu einer kontinuierlichen Abnahme der Arbeitslosenquote. Immer mehr Mütter in Sachsen sind erwerbstätig und lassen ihre Kinder in Kitas und in der Kindertagespflege betreuen.
Eine weitere Erklärung für den Rückgang der Bewilligungen des Landeserziehungsgeldes betrifft die Einkommensentwicklung der Familien. Die steigenden Nominaleinkommen überschreiten häufiger die Einkommensgrenzen für das Landeserziehungsgeld, womit die Anspruchsvoraussetzungen entfallen.
Fußnoten
85 Bei den hier genannten Zahlen wurden, um Doppelzählungen bei der Berechnung zu vermeiden, Kinder, die neben öffentlich geförderter Kindertagespflege zusätzlich eine Kindertageseinrichtung oder eine Ganztagsschule besuchen, bei der Berechnung der Betreuungsquote nicht berücksichtigt.
86 Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Kinder- und Jugendhilfe.
87 Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Kinder- und Jugendhilfe.
Der Wert von 100 Prozent für Dresden bedeutet nicht, dass alle Kinder betreut werden. Hintergrund ist die statistische Erfassung, die zu leichten Verzerrungen führen kann: Die betreuten Kinder werden nach Betreuungsstandort erfasst und nicht nach Wohnort des Kindes. Wenn Kinder aus den umliegenden Gemeinden oder am Arbeitsort der Eltern betreut werden, kann die Zahl der betreuten Kinder höher ausfallen als die Zahl der am Standort wohnenden Kinder.
88 Vergleiche hierzu die Ausführungen zum Elterngeld in Kapitel Familien in Sachsen.
89 2006 bis 2011 wurde die durchschnittliche Betreuungszeit pro Tag erfasst und gruppiert, ab 2012 die vertraglich vereinbarte Betreuungszeit in Stunden sowie die Zahl der Betreuungstage pro Woche.