Sozialbudget und Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe
Der Sozialhaushalt in Sachsen belief sich im Jahr 2015 auf 560,3 Millionen Euro. Den mit Abstand größten Anteil am Sozialhaushalt hatten die Ausgaben für Kinderbetreuung (inklusive zugewiesener Bundesmittel). Sie beliefen sich auf 496,2 Millionen Euro und entsprachen damit 88,6 Prozent des Sozialhaushaltes. Im Zeitverlauf von 2005 bis 2015 ist das Gesamtvolumen des Sozialhaushaltes von 365,5 Millionen Euro um 53,3 Prozent auf 560,3 Millionen Euro gewachsen. Die Entwicklung der einzelnen Ausgabenarten verlief nicht einheitlich. Deutlich höher im Vergleich zu 2005 fielen 2015 die ausgezahlten Mittel für die Kinderbetreuung mit einem Anstieg um 67 Prozent aus. Die ausgezahlten Fördermittel für die Unterhaltsvorschüsse (Landesanteil) und für die Jugendhilfe (zum Teil Bundesmittel enthalten, siehe Fußnote 79) fielen 2015 jeweils rund 32 Prozent höher aus als 2005.
2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | Entwicklung | |
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Landeserziehungsgeld | 30,6 | 30,9 | 29,2 | 34,7 | 25,6 | 20,5 | 19,1 | 15,2 | 13,3 | 12,3 | 11,5 | |
Unterhaltsvorschüsse (Landesanteil) | 13,1 | 14,2 | 14,4 | 17,0 | 17,0 | 19,9 | 20,3 | 20,0 | 19,5 | 19,0 | 17,2 | |
Schwangerenberatung | 4,9 | 5,0 | 4,9 | 4,9 | 5,4 | 5,4 | 5,4 | 5,3 | 5,6 | 5,6 | 5,5 | |
sonstige Leistungen der Familienhilfe78 | 2,5 | 2,6 | 2,1 | 2,0 | 2,6 | 2,5 | 1,5 | 1,4 | 2,2 | 2,1 | 2,3 | |
Jugendhilfe79 | 20,9 | 21,9 | 20,7 | 21,7 | 26,0 | 19,6 | 18,4 | 18,6 | 20,6 | 22,3 | 27,6 | |
Kinderbetreuung (inklusive zugewiesener Bundesmittel) | 297,3 | 325,3 | 351,2 | 384,5 | 409,8 | 431,8 | 413,9 | 428,0 | 464,8 | 472,6 | 496,2 |
Während die Ausgaben für Kinderbetreuung im betrachteten Zeitraum relativ kontinuierlich angestiegen sind, stiegen die Ausgaben für Unterhaltsvorschüsse nur bis zum Jahr 2011 an und waren seitdem rückläufig. Im selben Zeitraum sind auch die Ausgaben für das Landeserziehungsgeld um 62,5 Prozent deutlich gesunken (vergleiche hierzu die Ausführungen zum Landeserziehungsgeld).
Die jährlichen Ausgaben der Kreisfreien Städte und Landkreise für soziale Leistungen belaufen sich im Jahr 2015 auf rund 2,86 Milliarden Euro. Davon entfallen rund 45 Prozent auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und rund 30 Prozent auf Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII). Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe machen rund 17 Prozent aus, 9 Prozent zählen zu den sonstigen Sozialleistungen.
Im Zeitverlauf von 2005 bis 2015 haben sich die jährlichen Ausgaben um rund 33 Prozent deutlich erhöht; 2005 beliefen sich die Ausgaben noch auf rund 2,15 Milliarden Euro. Der Ausgabenzuwachs lässt sich insbesondere auf die Ausgabenentwicklungen in der Sozialhilfe (plus rund 355 Millionen) sowie in der Kinder- und Jugendhilfe80 (plus rund 208 Millionen) zurückführen.
Bezogen auf ihre Einwohnerzahl geben die Kreisfreien Städte und Landkreise unterschiedlich hohe Summen für soziale Leistungen aus. Die höchsten Ausgaben je Einwohner haben die Kommunen im Landkreis Görlitz, die niedrigsten Ausgaben verzeichnen die Kommunen im Landkreis Mittelsachsen.
Der auffällige Befund, dass sich in fünf Landkreisen (Görlitz, Leipzig, Meißen, Bautzen und Erzgebirgskreis) die jährlichen Ausgaben für Leistungen nach dem SGB II auf mehr als zwei Drittel der betrachteten Gesamtausgaben belaufen, lässt sich damit erklären, dass es sich um Optionskommunen handelt. Optionskommunen führen die Jobcenter im Haushalt des Landkreises, sodass hier die Auszahlungen für ALG II und Eingliederungsleistungen nach dem SGB II enthalten sind.
Die Bruttoausgaben der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt sind in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen: von 1,13 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 2,05 Milliarden Euro im Jahr 2015. Dies entspricht einer Steigerung von rund 81 Prozent.
In Bezug auf die (vor dem Zuzug aus der Flüchtlingsbewegung im Spätsommer 2015) in Sachsen lebenden unter 21-Jährigen hat der Freistaat im Jahr 2015 pro Person 2.920 Euro in die Kinder- und Jugendhilfe investiert. Dieser Betrag liegt rund 400 Euro über dem bundesdeutschen Durchschnittswert (2.555 Euro). Im Bundesländervergleich liegt Sachsen mit dem investierten Betrag pro unter 21-Jährigen im oberen Mittelfeld.81
Die Bruttoausgaben je unter 21-Jährigem der Kinder- und Jugendhilfe variieren deutlich zwischen den sächsischen Landkreisen und Kreisfreien Städten. Die höchsten Ausgaben wurden 2015 in den Kreisfreien Städten Dresden und Leipzig getätigt. Die Spitzenwerte der Kreisfreien Städte lassen sich dadurch erklären, dass sie Ausgabenschwerpunkte der sozialen Hilfen, unter anderem der Jugendhilfe, sind. Zu bemerken ist auch, dass zwischen dem Landkreis Görlitz und dem Erzgebirgskreis eine Ausgabendifferenz von mehr als 700 € je unter 21-Jährigem liegt.
Die Bereitstellung von Angeboten zur Betreuung von Kindern ist eine zentrale sozialpolitische Maßnahme in Sachsen. Nahezu drei Viertel aller Bruttoausgaben der Kinder- und Jugendhilfe entfallen auf Tageseinrichtungen, -pflege und Horte (Abbildung 4-79).
Diese Angebote sind für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie für die frühkindliche Bildung sehr bedeutsam. Seit 2013 besteht ein bundesweiter Rechtsanspruch auf Betreuungsangebote für unter dreijährige Kinder. In den Jahren zuvor wurde in Sachsen die entsprechende Infrastruktur aufgebaut. Dies bildet sich auch in der Ausgabenentwicklung ab. So sind die jährlichen Bruttoausgaben für Tageseinrichtungen, -pflege und Horte von 1,15 Milliarden Euro (2009) auf 1,51 Milliarden Euro (2015) angestiegen. In der Summe beläuft sich der Ausgabenanstieg im betrachteten Zeitraum auf 32 Prozent.
Hilfen zur Erziehung
Eine weitere bedeutsame Position sind die Bruttoausgaben für die Hilfen zur Erziehung. Zu den Leistungen gehören unter anderem Angebote zur Erziehungsberatung, Erziehungsbeistände, die Erziehung in einer Tagesgruppe sowie Vollzeitpflege und Heimerziehung. Die Bruttoausgaben belaufen sich auf 332,4 Millionen Euro im Jahr 2015 (einschließlich der Hilfen für junge Volljährige).
Im Zeitverlauf von 2005 bis 2015 haben sich die Ausgaben um rund 90 Prozent erhöht. Diese Ausgabenentwicklung beruht nur zu geringen Teilen auf gestiegenen Monatsverdiensten im Sozialwesen und auf gestiegenen Verbraucherpreisen. Weitere in Betracht kommende Erklärungen für die Ausgabenentwicklung sind die gestiegene Kinderzahl und Häufigkeit sowie Umfang der gewährten Hilfen.83
Trotz dieses Ausgabenanstieges rangieren die Bruttoausgaben der Hilfen zur Erziehung je unter 21-Jährigem im Bundesländervergleich im unteren Viertel (Abbildung 2-70). In Sachsen betragen die durchschnittlichen Ausgaben je unter 21-Jährigem jährlich 474 Euro. Damit liegt Sachsen auch unter dem bundesdeutschen Durchschnittswert von 543 Euro je unter 21-Jährigem. Lediglich in Baden-Württemberg (418 Euro), Bayern (377 Euro) und Thüringen (359 Euro) sind die Ausgaben niedriger als in Sachsen. Die mit Abstand höchsten Ausgaben je unter 21-Jährigem haben die Stadtstaaten Bremen (1.356 Euro) und Hamburg (910 Euro).
In der regionalisierten Analyse fällt auf, dass die Ausgaben für Hilfen zur Erziehung stark zwischen den Landkreisen und Kreisfreien Städten in Sachsen (Abbildung 4-82) variieren. Die höchsten Ausgaben − bezogen auf die in den jeweiligen Kreisen lebenden unter 21-Jährigen − verzeichnen die Kreisfreien Städte Leipzig (692 Euro) und Dresden (602 Euro) sowie der Landkreis Zwickau (563 Euro); im Landkreis Mittelsachsen (193 Euro) und im Erzgebirgskreis (201 Euro) fallen die Ausgaben sachsenweit am niedrigsten aus.84
Ausgabenstruktur
Mit Blick auf die Ausgabenstruktur ist offensichtlich, dass die Ausgaben für Vollzeitpflege, Heimerziehung und sonstige betreute Wohnformen (§§ 33 und 34 SGB VIII) den größten Anteil haben. Sie belaufen sich im Jahr 2015 auf rund 227 Millionen Euro. Auch hier gibt es zwischen den Landkreisen und Kreisfreien Städten deutliche Unterschiede. Bezogen auf die unter 21-Jährigen hat die Kreisfreie Stadt Leipzig die höchsten Ausgaben (531 Euro), gefolgt vom Landkreis Zwickau (397 Euro), der Kreisfreien Stadt Dresden (375 Euro) und dem Landkreis Görlitz (359 Euro). Die niedrigsten Ausgaben weisen der Erzgebirgskreis (128 Euro) und der Landkreis Mittelsachsen (133 Euro) auf.
2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | |
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Sachsen | 5,56 | 5,59 | 5,84 | 5,59 | 5,64 | 5,82 | 6,38 | 6,20 | 6,34 |
Chemnitz, Stadt | 7,68 | 7,49 | 7,27 | 6,36 | 6,66 | 6,74 | 6,93 | 6,64 | 6,82 |
Erzgebirgskreis | 4,73 | 4,22 | 4,56 | 4,39 | 4,44 | 4,60 | 4,75 | 5,19 | 5,11 |
Mittelsachsen | 4,28 | 4,75 | 5,20 | 5,12 | 4,60 | 4,56 | 4,92 | 7,17 | 8,94 |
Vogtlandkreis | 5,56 | 6,84 | 5,65 | 6,06 | 6,37 | 6,01 | 5,91 | 6,75 | 6,66 |
Zwickau | 6,77 | 7,13 | 6,90 | 6,55 | 6,23 | 5,37 | 5,46 | 5,30 | 5,74 |
Dresden, Stadt | 6,38 | 6,39 | 6,18 | 5,92 | 5,97 | 6,56 | 6,30 | 6,28 | 6,16 |
Bautzen | 5,94 | 5,66 | 5,99 | 5,09 | 4,34 | 4,23 | 4,21 | 4,31 | 4,25 |
Görlitz | 5,79 | 5,55 | 5,62 | 6,19 | 8,10 | 8,75 | 11,25 | 10,46 | 9,29 |
Meißen | 3,44 | 3,63 | 3,83 | 4,24 | 4,20 | 4,12 | 4,42 | 4,17 | 4,19 |
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge | 5,80 | 5,24 | 4,93 | 5,30 | 4,51 | 4,53 | 4,83 | 4,82 | 5,75 |
Leipzig, Stadt | 5,21 | 4,86 | 5,66 | 5,40 | 5,70 | 6,35 | 6,80 | 6,34 | 6,21 |
Leipzig | 5,11 | 5,61 | 8,33 | 6,18 | 5,59 | 6,27 | 8,92 | 8,03 | 10,35 |
Nordsachsen | 6,05 | 6,20 | 5,91 | 6,23 | 6,25 | 5,78 | 6,16 | 6,15 | 5,79 |
Die regionale Varianz bei den Ausgaben bildet sich bei den Leistungsvolumen ab. Der beispielhafte Blick auf die ambulanten erzieherischen Hilfen und Eingliederungshilfen für seelisch behinderte junge Menschen und junge Volljährige illustriert das unterschiedliche Leistungsvolumen (Tabelle 4-4). Im Landesdurchschnitt im Jahr 2015 sind 6,3 Stunden für die betrachteten Leistungen vereinbart. Die Landkreise Leipzig und Görlitz liegen deutlich über diesem Stundenvolumen, Meißen und Bautzen liegen deutlich darunter.
Bemerkenswert ist ebenfalls die unterschiedliche Entwicklung im Zeitverlauf. Sachsenweit hat sich das durchschnittliche Leistungsvolumen von 2007 bis 2015 um weniger als eine Stunde erhöht. Im Vergleich dazu ist in den Landkreisen Leipzig und Mittelsachsen eine Verdoppelung des Leistungsvolumens zu beobachten. Der Landkreis Bautzen ist ein Beispiel dafür, dass das Leistungsvolumen im Zeitverlauf gesunken ist.
Die Gründe für die regionale Varianz der Ausgaben für Hilfen zur Erziehung sowie für die unterschiedlichen Leistungsvolumina sind vielschichtig. Ein Erklärungsmuster stellt auf sozioökonomische Unterschiede und regional unterschiedliche Bedarfslagen ab. Die Kinder- und Jugendhilfe und insbesondere die Hilfen zur Erziehung können nicht losgelöst von den anderen sozialen Problemen gesehen werden. Darüber hinaus können auch örtliche Rahmenbedingungen − Angebotsstrukturen, Definitions- und Gewährungspraxis der Jugendämter − die auffällige regionale Varianz der Ausgaben erklären (Fendrich et al., 2014, S. 33). Untersuchungen aus Mecklenburg-Vorpommern, in dem ebenfalls deutliche interkommunale Unterschiede bei der Kostenintensität zu beobachten sind, werfen die Frage auf, inwieweit »vermeidbare Steuerungs- und Kontrolldefizite sowie eine ineffiziente Aufgabenerfüllung« ursächlich sind (Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern, 2016, S. 9).
Inwiefern die verschiedenen Faktoren und Erklärungsansätze zusammenwirken und die regionale Varianz in Sachsen erklären, kann im Rahmen des Sozialberichtes nicht tiefergehend analysiert werden, denn die amtliche Statistik, die diesem Bericht zugrunde liegt, ist nicht dafür ausgelegt Wirkungszusammenhänge und innerkommunale Steuerungsmechanismen darzustellen. Hierfür bedarf es weiterführender Untersuchungen und Analysen.
Fußnoten
78 Die Beträge beinhalten zum einen die Daten der Förderrichtlinie (FRL) 04710 (ohne die Aufwendungen für Schwangerschaftskonfliktberatung), der FRL 04690 und der FRL 09030 (für die drei FRL jeweils Auszüge aus der Fördermitteldatenbank FÖMISAX zum Stand Ende 07/2017); Zum anderen sind folgende Ausgaben jeweils auf Grundlage der betreffenden Haushaltstelle des SMS berücksichtigt: a.) Erstattungen von Eintrittsgeldern infolge von Mindereinnahmen durch Inanspruchnahme des Landesfamilienpasses; b.) Zuschüsse/Zuführungen und Erstattungen an die Stiftung »Hilfe für Familie, Mutter und Kind«
79 Die Beträge beinhalten die Daten der Förderrichtlinien 04910, 04960, 04970 und 09050 (Auszüge der FÖMISAX zum Stand Ende 07/2017). Die Beträge aus der Förderrichtlinie 04960 beinhalten dabei auch Bundesmittel. Für die Jahre 2005 bis 2007 zusätzlich Förderrichtlinie 04920.
80 Nicht berücksichtigt sind Investitionen. Weitere Angaben zur Entwicklung der Ausgaben im SGB VIII befinden sich im folgenden Abschnitt.
81 Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Ausgaben und Einnahmen der Kinder- und Jugendhilfe und Statistisches Bundesamt, Berechnung je unter 21-Jährigem Prognos AG.
82 Die sonstigen Leistungen enthalten: Hilfen für junge Volljährige nach § 41; Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen und Einrichtungen der Hilfe zur Erziehung und Hilfe für junge Volljährige sowie für die Inobhutnahme.
83 Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Ausgaben und Einnahmen der Kinder- und Jugendhilfe.
84 Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Statistik der Ausgaben und Einnahmen der Kinder- und Jugendhilfe.