Ambulante Suchthilfe
Versorgungsangebot und -nutzung
Die Verteilung der Suchtberatungsstellen inklusive Außenstellen zeigte im Jahr 2017 eine relativ flächendeckende Versorgungsstruktur (Abbildung 8-1) mit einigen wenigen regionalen Versorgungsdefiziten bei spezifischen Angeboten. So bestand im Vogtlandkreis und im Erzgebirgskreis kein Angebot ambulanter Rehabilitation, was hier die Möglichkeiten wohnortnaher und ambulanter Behandlung einschränkte.
In Sachsen lag die Fallzahl an Klienten in der ambulanten Suchthilfe je 100.000 Einwohner in den Jahren 2008, 2012 und 2015 mit etwa 500 Fällen höher als in Deutschland mit etwa 400 Fällen (Abbildung 8-2). Im regionalen Vergleich ist zu beachten, dass es sich weder um eine Vollerhebung aller Suchthilfeeinrichtungen noch aller Klienten handelt. Es sollten daher nur vorsichtige Rückschlüsse auf absolute Fallzahlen und Problemvorkommen gezogen werden. Im regionalen Vergleich innerhalb Sachsens waren relativ starke Schwankungen zu sehen, die sowohl durch stärkere Nachfrage vonseiten der Klientel, aber auch durch Veränderungen des Versorgungsangebotes bedingt sein können. Die höchsten Fallzahlen waren in der Stadt Leipzig (über die Jahre relativ stabil) und im Vogtlandkreis sowie im Landkreis Nordsachsen zu sehen, wobei die Fallzahlen in diesen beiden Landkreisen im zeitlichen Verlauf zugenommen haben.
Zieht man die regional unterschiedliche Anzahl der Einrichtungen als Kennzahl für das Versorgungsangebot mit in Betracht, ist die Anzahl der betreuten Fälle je Einrichtung in etwa gleich (entsprechend hatte die Stadt Leipzig mit zuletzt acht die meisten Daten liefernden Einrichtungen). Dass die Fallzahlen in Sachsen insgesamt stabil waren, allerdings auf höherem Niveau als in Deutschland und bei etwa gleicher personeller Ausstattung je Einrichtung, deutet auf ein System mit funktionierenden Versorgungsstrukturen hin, welches aber insgesamt ausgelastet ist. Als Hilfsvariable zur Abschätzung des Fallaufwandes oder Betreuungsaufwandes wurde die Anzahl der Fälle je 100.000 Einwohner mit der jeweiligen durchschnittlichen Anzahl an Kontakten multipliziert. Dieser Wert ist nicht absolut zu interpretieren, sondern gibt eine Vergleichsmöglichkeit des Betreuungsaufkommens in den Landkreisen und Kreisfreien Städten. Hierbei zeigt sich ein relativ gleichläufiges Muster wie bei der Fallentwicklung. Offenbar sind höhere Fallzahlen nicht notwendigerweise einhergehend mit kürzeren Betreuungen (das heißt niedrigeren Kontaktzahlen). Eine Ausnahme stellte dabei Chemnitz dar, wo der Fallaufwand vergleichsweise niedrig war und demnach von vielen, eher kurzen Betreuungen auszugehen ist.
Neben den Personen mit einer Suchtproblematik sind deren Bezugspersonen (Angehörige, Personen im sozialen Umfeld) eine weitere hilfesuchende Personengruppe im Suchthilfesystem. Diese machten in etwa 6 Prozent aus (2008: 6,5% beziehungsweise 1.451 Personen; 2012: 5,7% beziehungsweise 1.126 Personen; 2015: 5,8% beziehungsweise 1.251 Personen). Insgesamt war in Sachsen der Anteil weiblicher Bezugspersonen in etwa so hoch wie in Deutschland (knapp 80%). Allerdings werden in Sachsen Männer tendenziell etwas häufiger als Partner vorstellig, was sich insbesondere im jüngsten Datenjahr 2015 zeigte (Sachsen: 34%; Bund: 23%). Ein Grund dafür könnte der hohe Anteil an Frauen mit stimulanzienbezogenen Problemen sein (2015: 31% aller Hauptdiagnosen, n=838; Männer: 22% aller Hauptdiagnosen, n=1.640; siehe Kapitel 8.2 Hauptdiagnosen). Allerdings wurde nicht erhoben, welche Substanz bei der Indexperson problemrelevant ist.
Betrachtet man bei der Klientel mit eigener Symptomatik die altersstandardisierten Zahlen der Zugänge mit einer Hauptdiagnose, fällt auf, dass diese in Sachsen in allen drei untersuchten Jahren jeweils um etwa 50 Fälle pro 100.000 Einwohner höher lagen als in Deutschland (Abbildung 8-3). Die zeitliche Entwicklung ist jedoch vergleichbar, das heißt die Fallzahlen sind zwischen 2008 und 2015 angestiegen. Die regionale Verteilung zeigt, dass die Anzahl der Zugänge in die ambulante Suchthilfe im Erzgebirgskreis (194 Zugänge pro 100.000 Einwohner im Jahr 2015) und im Landkreis Leipzig (202 Zugänge pro 100.000 Einwohner im Jahr 2015) am niedrigsten und in der Stadt Chemnitz (380 Zugänge pro 100.000 Einwohner im Jahr 2015) am höchsten war. Die Stadt Chemnitz war darüber hinaus die einzige Region, in der die Anzahl der Zugänge zwischen 2008 und 2015 rückläufig war. In allen anderen Landkreisen und Kreisfeien Städten war ein Anstieg der Zahlen zu beobachten.
Hauptdiagnosen
Ein Kernparameter bei der Betrachtung der hilfesuchenden Klientel ist die Hauptdiagnose, das heißt die behandlungsleitende Diagnose. Im Vergleich der Diagnosedaten zwischen Sachsen und Deutschland zeigen sich nicht unerhebliche Unterschiede in der Häufigkeitsverteilung.
Im Vergleich zu Deutschland lagen in Sachsen höhere Anteile an allen Diagnosen bei den Hauptdiagnosen Alkohol und Stimulanzien vor. Alkohol stellte zwar sowohl deutschlandweit als auch in Sachsen die mit Abstand größte Hauptdiagnosegruppe dar, jedoch lag der Anteil in Sachsen über dem in Deutschland. Er hat sich über die Jahre deutlich verringert, nämlich von etwa 73 Prozent im Jahr 2008 (entspricht 6.741 hilfesuchenden Personen) auf etwa 57 Prozent im Jahr 2015 (entspricht 5.821 hilfesuchenden Personen) (Tabelle 8-1).
Gleichzeitig ist der Anteil der Hauptdiagnose Stimulanzien (inklusive Methamphetamin in kristalliner Form, also Crystal Meth) bei der hilfesuchenden Klientel in Sachsen überproportional stark gestiegen. Er lag 2015 bei etwa 24 Prozent (entspricht 2.478 hilfesuchenden Personen), bundesweit jedoch nur bei etwa 7 Prozent (entspricht 11.283 hilfesuchenden Personen). Damit wurden insgesamt etwa 20 Prozent aller stimulanzienbezogenen Hauptdiagnosen in Sachsen vergeben. Insbesondere bei Frauen wurde in Sachsen diese Diagnose gestellt. Bei den hilfesuchenden Frauen lag der Anteil der Hauptdiagnose Stimulanzien an allen Hauptdiagnosen im Jahr 2015 bei 31 Prozent (entspricht 838 hilfesuchenden Personen) im Vergleich zu 22 Prozent bei den hilfesuchenden Männern (entspricht 1.640 hilfesuchenden Personen). Nach Informationen der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren sind seit 2010 in Sachsen 95 Prozent der Fälle mit der Hauptdiagnose Stimulanzien der Substanz Methamphetamin (Crystal Meth) zuzuordnen (SLS, 2016).
Niedrigere Anteile an allen Diagnosen lagen in Sachsen im deutschlandweiten Vergleich bei den Hauptdiagnosegruppen Cannabinoide und Opioide vor. Diese stellten bundesweit die zweit- beziehungsweise dritthäufigsten behandlungsleitenden Diagnosen dar (2015: 17% Cannabinoide beziehungsweise 14% Opioide), waren in Sachsen aber weniger präsent (2015: 8% Cannabinoide beziehungsweise 4% Opioide; 2008: 9% Cannabinoide beziehungsweise 7% Opioide). Der Rückgang der Anteile der Hauptdiagnose Opioide ist ein bundesweiter Trend, der sich auch in Sachsen findet. Dagegen sind im Bund die Anteile cannabinoidbezogener Hauptdiagnosen um etwa 37 Prozent gestiegen (2008: 13%; 2015: 17%), in Sachsen aber um 14 Prozent zurückgegangen (2008: 9%; 2015: 8%).
Im Kapitel Gesundheit wurden, trotz in den letzten Jahren sinkender Zahlen von Rauchern, nach wie vor hohe Konsumprävalenzen und ein hohes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko in Bezug auf Tabak berichtet. Es fällt auf, dass in der ambulanten Suchthilfe diese Hauptdiagnosen praktisch nicht vorkommen. Raucherentwöhnungskurse werden meist als Angebote von Krankenkassen durchgeführt. Hingegen waren analog zur beschriebenen hohen Relevanz des Alkoholkonsums die entsprechenden Hauptdiagnosen im Suchthilfesystem auch am häufigsten vertreten.
Hauptdiagnose | 2008 | 2012 | 2015 | |||
---|---|---|---|---|---|---|
Sachsen | Deutschland | Sachsen | Deutschland | Sachsen | Deutschland | |
Absolutzahl | 9.264 | 144.045 | 9.624 | 163.865 | 10.180 | 169.997 |
Alkohol (F10) | 72,8 | 56,1 | 64,6 | 53,3 | 57,2 | 49,8 |
Opioide (F11) | 6,5 | 18,9 | 5,2 | 15,9 | 3,8 | 14,0 |
Cannabinoide (F12) | 9,4 | 12,6 | 5,7 | 14,1 | 8,1 | 17,3 |
Sedativa/Hypnotika (F13) | 0,7 | 0,8 | 0,6 | 0,8 | 0,6 | 0,8 |
Kokain (F14) | 0,5 | 2,8 | 0,3 | 2,3 | 0,2 | 2,4 |
Stimulanzien (F15) | 6,3 | 2,6 | 18,3 | 4,8 | 24,3 | 6,6 |
Halluzinogene (F16) | 0,0 | 0,1 | 0,0 | 0,1 | 0,0 | 0,1 |
Tabak (F17) | 1,0 | 1,2 | 1,0 | 1,0 | 0,8 | 0,9 |
Flüchtige Lösungsmittel (F18) | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Andere psychotrope Substanzen (F19) | 0,4 | 0,6 | 0,6 | 0,6 | 0,3 | 0,7 |
Essstörungen (F50) | 0,7 | 1,1 | 0,4 | 1,1 | 0,3 | 1,0 |
Pathologisches Glücksspielen (F63) | 1,8 | 3,0 | 3,2 | 6,0 | 4,4 | 6,4 |
Insgesamt waren Männer in der Klientel der ambulanten Suchthilfe deutlich häufiger vertreten als Frauen, wobei der Anteil in Sachsen von etwa 79 Prozent im Jahr 2008 auf 73 Prozent im Jahr 2015 gesunken ist (Tabelle 8-2a–c). In Deutschland ist der Anteil nahezu konstant geblieben (2008: 76%; 2015: 75%). Dieser hohe Männeranteil stellt im Gesundheitssystem und in Hinblick auf psychische Störungen eine Besonderheit dar: Während ansonsten bei Frauen eine höhere Inanspruchnahme von Hilfeangeboten zu beobachten ist (siehe auch Kapitel Gesundheit), sind im ambulanten Suchthilfesystem Männer deutlich stärker vertreten. Dies ist Ausdruck dessen, dass Männer von substanzbezogenen Störungen als einer von wenigen psychischen Störungen häufiger betroffen sind als Frauen.
Anzahl Einrichtungen mit Datenlieferung | Fallzahlen | |||
---|---|---|---|---|
gesamt | Männer | Frauen | ||
Deutschland | 753 | 144.045 | 109.390 (75,9%) | 34.655 (24,1%) |
Sachsen | 48 | 9.264 | 7.335 (79,2%) | 1.929 (20,8%) |
Chemnitz Stadt | 4 | 1.119 | 797 (71,2%) | 322 (28,8%) |
Erzgebirgskreis | 3 | 605 | 492 (81,3%) | 113 (18,7%) |
Mittelsachsen | 2 | 431 | 344 (79,8%) | 87 (20,2%) |
Vogtlandkreis | 4 | 488 | 399 (81,8%) | 89 (18,2%) |
Zwickau | 4 | 759 | 616 (81,2%) | 143 (18,8%) |
Dresden, Stadt | 5 | 930 | 713 (76,7%) | 217 (23,3%) |
Bautzen | 4 | 955 | 763 (79,9%) | 192 (20,1%) |
Görlitz | 3 | 729 | 593 (81,3%) | 136 (18,7%) |
Meißen | 3 | 627 | 515 (82,1%) | 112 (17,9%) |
Sächsische Schweiz- Osterzgebirge | 3 | 536 | 435 (81,2%) | 101 (18,8%) |
Leipzig Stadt | 7 | 1.326 | 1.050 (79,2%) | 276 (20,8%) |
Leipzig | 3 | 323 | 246 (76,2%) | 77 (23,8%) |
Nordsachsen | 3 | 436 | 372 (85,3%) | 64 (14,7%) |
Anzahl Einrichtungen mit Datenlieferung | Fallzahlen | |||
---|---|---|---|---|
gesamt | Männer | Frauen | ||
Deutschland | 794 | 163.865 | 122.485 (74,7%) | 41.380 (25,3%) |
Sachsen | 40 | 9.624 | 7.193 (74,7%) | 2.431 (25,3%) |
Chemnitz Stadt | 4 | 970 | 589 (60,7%) | 381 (39,3%) |
Erzgebirgskreis | 3 | 538 | 418 (77,7%) | 120 (22,3%) |
Mittelsachsen | 3 | 666 | 528 (79,3%) | 138 (20,7%) |
Vogtlandkreis | 1 | 526 | 380 (72,2%) | 146 (27,8%) |
Zwickau | 2 | 466 | 346 (74,2%) | 120 (25,8%) |
Dresden, Stadt | 4 | 1.068 | 772 (72,3%) | 296 (27,7%) |
Bautzen | 4 | 966 | 743 (76,9%) | 223 (23,1%) |
Görlitz | 3 | 650 | 486 (74,8%) | 164 (25,2%) |
Meißen | 3 | 684 | 562 (82,2%) | 122 (17,8%) |
Sächsische Schweiz- Osterzgebirge | 2 | 545 | 418 (76,7%) | 127 (23,3%) |
Leipzig Stadt | 6 | 1.698 | 1.303 (76,7%) | 395 (23,3%) |
Leipzig | 3 | 294 | 208 (70,7%) | 86 (29,3%) |
Nordsachsen | 2 | 553 | 440 (79,6%) | 113 (20,4%) |
Anzahl Einrichtungen mit Datenlieferung | Fallzahlen | |||
---|---|---|---|---|
gesamt | Männer | Frauen | ||
Deutschland | 858 | 169.997 | 127.020 (74,7%) | 42.977 (25,3%) |
Sachsen | 44 | 10.180 | 7.474 (73,4%) | 2.706 (26,6%) |
Chemnitz Stadt | 4 | 864 | 480 (55,6%) | 384 (44,4%) |
Erzgebirgskreis | 3 | 520 | 371 (71,3%) | 149 (28,7%) |
Mittelsachsen | 3 | 678 | 515 (76,0%) | 163 24,0%) |
Vogtlandkreis | 2 | 605 | 435 (71,9%) | 170 (28,1%) |
Zwickau | 3 | 755 | 563 (74,6%) | 192 (25,4%) |
Dresden, Stadt | 5 | 1.286 | 936 (72,8%) | 350 (27,2%) |
Bautzen | 4 | 887 | 699 (78,8%) | 188 (21,2%) |
Görlitz | 3 | 634 | 472 (74,4%) | 162 (25,6%) |
Meißen | 2 | 623 | 486 (78,0%) | 137 (22,0%) |
Sächsische Schweiz- Osterzgebirge | 2 | 516 | 385 (74,6%) | 131 (25,4%) |
Leipzig Stadt | 8 | 1.941 | 1.460 (75,2%) | 481 (24,8%) |
Leipzig | 3 | 420 | 312 (74,3%) | 108 (25,7%) |
Nordsachsen | 2 | 451 | 360 (79,8%) | 91 (20,2%) |
Auch für die häufigsten Hauptdiagnosen zeigt sich durchgängig ein überwiegend hoher Männeranteil (Abbildung 8-4). Es ergab sich für Sachsen über die Jahre hinweg ein relativ stabiles Muster. Dabei war der Männeranteil bei den Hauptdiagnosen Alkohol (2015: 76%) und Cannabinoide (2015: 79%) größer als bei den Hauptdiagnosen Opioide (2015: 67%) und Stimulanzien (2015: 66%). Bei den Daten für Deutschland sieht das Bild etwas anders aus. Der Männeranteil war auch hier für die Hauptdiagnose Cannabinoide am höchsten (2015: 85%). Für die anderen Hauptdiagnosen lagen die Männeranteile relativ nahe beieinander (Alkohol: 72%; Opioide: 76%; Stimulanzien: 72% – alle 2015).
Innerhalb Sachsens zeigen sich deutliche regionale Unterschiede bezüglich der Verteilung der Hauptdiagnosen bei Männern und Frauen (Abbildung 8-5 und Abbildung 8-6). Zwar ist der Anteil an alkoholbezogenen Hauptdiagnosen in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten zurückgegangen, in einigen Landkreisen lag der Anteil im Jahr 2015 jedoch immer noch bei fast 60 bis fast 70 Prozent (Vogtlandkreis und Landkreise Görlitz, Bautzen, Mittelsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Zwickau). Unter den Männern war der Anteil an Klienten mit einer alkoholbezogenen Hauptdiagnose in Sachsen höher als in Deutschland und dies in allen betrachteten Jahren. Bei den Frauen hingegen nahm der Anteil an alkoholbezogenen Diagnosen in Sachsen von 2008 bis 2015 ab und lag im Jahr 2015 unter dem Anteil in Deutschland. Die Hauptdiagnose Stimulanzien hat über die Jahre in allen sächsischen Landkreisen und Kreisfreien Städten stark zugenommen. Besonders hohe Anteile (das heißt mehr als 24%, nämlich dem Anteil der Hauptdiagnose Stimulanzien an allen Diagnosen im Jahr 2015 in Sachsen) waren im Erzgebirgskreis, Vogtlandkreis und in den Landkreisen Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Nordsachsen, Zwickau und Leipzig sowie der Stadt Chemnitz zu beobachten. Die Anteile der Männer mit Hauptdiagnose Stimulanzien lagen dabei im Erzgebirgskreis, Vogtlandkreis und in den Landkreisen Meißen, Nordsachsen, Zwickau, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sowie der Stadt Leipzig über dem Sachsendurchschnitt (22%). Die Anteile bei den Frauen lagen in der Stadt Chemnitz, im Vogtlandkreis und den Landkreisen Leipzig, Mittelsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Zwickau über 31 Prozent, dem Sachsendurchschnitt stimulanzienbezogener Hauptdiagnosen bei Frauen. Die Hauptdiagnose Opioide spielte 2015 nur noch in der Stadt Leipzig eine Rolle, zu geringen Teilen auch in Chemnitz und Dresden (Großstadteffekt) sowie den Landkreisen Nordsachsen und Leipzig. Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren hier nicht zu beobachten.
Für cannabinoidbezogene Hauptdiagnosen ist, anders als bei Opioiden, eine Art »Grundrauschen« zu beobachten: In allen Landkreisen und Kreisfreien Städten lag 2015 der Anteil bei über 5 Prozent. In den Städten Dresden und Leipzig sowie den Landkreisen Bautzen, Meißen und Zwickau waren höhere Anteile als im Sachsendurchschnitt (2015: 8%) zu verzeichnen. Im Zeitverlauf ist für die Stadt Leipzig, den Erzgebirgskreis und Vogtlandkreis sowie die Landkreise Bautzen, Meißen, Mittelsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge festzuhalten, dass nach einem Rückgang zwischen 2008 und 2012 die Anteile im Jahr 2015 wieder in etwa auf dem Ausgangsniveau von 2008 lagen. Ob hier der deutschlandweite Trend des Anstiegs von cannabinoidbezogenen Hauptdiagnosen etwas verzögert eintritt, muss in den kommenden Jahren beobachtet werden. Das beschriebene Muster lag vor allem bei Männern vor. Frauen wiesen eine größere Streuung des Vorkommens auf: In Chemnitz lag der Anteil beispielsweise nur bei 2 Prozent, in Dresden hingegen bei 11 Prozent.
Der Anstieg in der Kategorie »Andere Hauptdiagnose« in Dresden ist auf einen starken Anstieg der Hauptdiagnose Pathologisches Glücksspielen zurückzuführen (um das zwölffache von etwa 1% im Jahr 2008 auf 12% im Jahr 2015; Anstieg in Sachsen insgesamt im gleichen Zeitraum auf das 2,4-fache). Diese Häufung hängt möglicherweise mit zwei Suchthilfeeinrichtungen in Dresden zusammen, die für den Indikationsbereich Pathologisches Glücksspielen ambulante Rehabilitation anbieten.228
Fest steht, dass wegen cannabinoidbezogener Probleme offenbar flächendeckend, wenn auch in geringem Ausmaß, Hilfe gesucht wurde. Opioide spielten in den letzten Jahren zunehmend nur noch punktuell als Hauptdiagnosen eine Rolle. Auch Personen mit stimulanzienbezogenen Problemen suchten flächendeckend Hilfe und dieser Hilfebedarf hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Alkohol war allerdings, trotz (dem Bundestrend entsprechend) rückläufiger Zahlen, nach wie vor in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten die Substanz, wegen der am meisten Personen in ambulante Suchthilfeeinrichtungen kamen.
Die regionale Entwicklung der altersstandardisierten Anzahl der Zugänge mit einer Hauptdiagnose Alkohol zeigt Abbildung 8-7. In Deutschland lag die Zahl in den Jahren 2008, 2012 und 2015 jeweils bei etwa 100 Fällen pro 100.000 Einwohner. In Sachsen waren höhere Zahlen zu beobachten, die darüber hinaus zwischen 2008 (160 Fälle pro 100.000 Personen) und 2015 (144 Fälle pro 100.000 Personen) zurückgingen. Chemnitz und Bautzen wiesen die höchsten Zahlen auf, wobei in Chemnitz ein besonders starker Rückgang stattfand (von 303 auf 194 Fälle pro 100.000 Personen). Im Unterschied zum allgemeinen Rückgang der Zahlen fanden sich im Vogtlandkreis, dem Landkreis Mittelsachsen und in einem geringeren Ausmaß auch in der Stadt Dresden sowie in Stadt und Landkreis Leipzig steigende Fallzahlen.
Die Abnahme des Anteiles der alkoholbezogenen Diagnosen an allen Diagnosen in Sachsen bei Männern und Frauen (Abbildung 8-5 und Abbildung 8-6) sowie die leichte Abnahme der Fallzahlen je 100.000 Einwohner (altersstandardisiert; Abbildung 8-7) ist weitgehend Ausdruck einer veränderten Nachfrage ambulanter Suchthilfe von Personen mit Alkoholproblemen vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Ausgestaltung des Angebotes und nicht notwendigerweise Ausdruck einer Veränderung des Umfanges von Alkoholproblemen in der Bevölkerung. Für die Beurteilung der Veränderung des Suchtproblems sind Schätzungen der Belastung durch Suchtprobleme in der Bevölkerung erforderlich.
Die altersstandardisierte Anzahl der Zugänge mit einer Hauptdiagnose Stimulanzien lag in Sachsen in allen Jahren höher als in Deutschland (Abbildung 8-8). Darüber hinaus fiel der Anstieg zwischen 2008 und 2015 im Freistaat von 16 auf 77 Fälle pro 100.000 Einwohner deutlich stärker aus als in Deutschland von 5 auf 16 Fälle pro 100.000 Personen. Im regionalen Vergleich fanden sich im Jahr 2015 die höchsten Fallzahlen im Landkreis Meißen (134 Fälle pro 100.000 Personen) und der Stadt Chemnitz (116 Fälle pro 100.000 Personen), wohingegen in der Stadt Dresden (48 Fälle pro 100.000 Personen) die geringste Fallzahl beobachtet wurde. In allen Landkreisen und Kreisfreien Städten war ein deutlicher Anstieg der Zahlen über den Beobachtungszeitraum zu verzeichnen. Besonders ausgeprägt war dieser Anstieg zwischen den Jahren 2008 und 2012. Die Zunahme der Fallzahlen mit stimulanzienbezogenen Diagnosen in Sachsen wird begleitet von einer Zunahme der Residuen (biologische Abbauprodukte) von Methamphetamin im Abwasser in Dresden, wo sie von 2013 bis 2017 leicht zugenommen haben, und Chemnitz, wo im Vergleich von 18 beteiligten deutschen Städten im Jahr 2017 der höchste Wert ermittelt wurde.229
Altersentwicklung nach Diagnosen
In Sachsen wie in Deutschland hat das mittlere Alter bei Betreuungsbeginn zwischen 2008 und 2015 leicht zugenommen. Mit 38,2 (Sachsen) beziehungsweise 38,3 (Deutschland) Jahren wies die Klientel 2015 den höchsten Altersdurchschnitt im Jahresvergleich mit 2008 und 2012 auf.
Der Trend einer älter werdenden Klientel in der ambulanten Suchthilfe zeigt sich in Sachsen insbesondere für die Hauptdiagnosen Alkohol (Zunahme des durchschnittlichen Alters um drei Jahre zwischen 2008 und 2015 auf etwa 45 Jahre), Stimulanzien (Zunahme um vier Jahre auf etwa 28 Jahre) und Opioide (Zunahme um sechs Jahre auf etwa 34 Jahre). Das niedrigste Alter wies die Klientel mit der Hauptdiagnose Cannabinoide auf (Zunahme um zwei Jahre auf etwa 25 Jahre). Der Altersdurchschnitt der Klienten in Sachsen war über die Jahre betrachtet nahezu identisch mit dem der Klienten in Deutschland.
Regional lag in Sachsen ein etwas anderes Bild vor. Nicht in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten ist das Durchschnittsalter der Klienten bei Betreuungsbeginn angestiegen. Insbesondere in den Städten Dresden, Chemnitz und Leipzig, in denen es Drogenbratungsstellen mit Jugendlichen als Zielgruppe gibt, lag der Altersdurchschnitt der Klienten in allen drei Jahren unter dem Landesdurchschnitt (Ausnahme Dresden 2012: 39,4 Jahre). Das niedrigste Alter hatte im Jahr 2015 die Klientel im Landkreis Meißen (36,7 Jahre). Auch in den Städten Chemnitz, Dresden, Leipzig sowie dem Erzgebirgskreis lag das mittlere Alter unter dem Landesdurchschnitt. Der höchste Alterswert war mit 40,3 Jahren im Landkreis Görlitz zu beobachten (Abbildung 8-9). Das Durchschnittsalter der Klientel im Vogtlandkreis sowie in den Landkreisen Bautzen, Mittelsachsen, Nordsachsen, Zwickau, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Leipzig lag ebenfalls über dem Sachsendurchschnitt.
Hinsichtlich der Altersverteilung zeigen sich für die Hauptdiagnosen Alkohol, Stimulanzien und Cannabinoide in Deutschland und Sachsen sehr ähnliche Muster im Zeitverlauf. Dies spricht dafür, dass eine ähnliche Klientel von entsprechenden Problemen betroffen war und in den Suchthilfeeinrichtungen erreicht wurde (Abbildung 8-10). Für die Klientel mit Opioidproblematik hingegen unterschieden sich die Altersverteilungen dahingehend, dass es in Sachsen eine starke Häufung in einer Altersgruppe gab, während die Altersgruppen in Deutschland etwas breiter streuten (Abbildung 8-11). Die häufigsten Altersgruppen waren aber in Sachsen und Deutschland identisch: Im Jahr 2008 waren dies in Sachsen die 25- bis 29-Jährigen, in den Jahren 2012 und 2015 die 30- bis 34-Jährigen mit einer etwas breiteren Streuung im Jahr 2015. Das zunehmende Alter bei Personen mit der Hauptdiagnose Opioide und die gleichzeitig abnehmenden Fallzahlen sprechen dafür, dass es hier weniger neu auftretende Fälle gab. Auffällig sind die vielen Fälle von sehr jungen Klienten mit cannabinoidbezogenen Problemen: Es gab hier jeweils eine Häufung von Fällen im jungen Erwachsenenalter bis 30 Jahre sowie im Alter von 15 bis 17 Jahren. Dieser Befund zeigt, dass offenbar sehr viele sehr junge Menschen Cannabinoide konsumieren. Zugleich spiegeln diese Zahlen vermutlich auch verstärkte Bemühungen im Bereich der Frühinterventionen bei gefährdeten Jugendlichen wider.
Fußnoten
228 Information der SLS, Glücksspielberatungsangebote: http://www.slsev.de/uploads/media/GluecksspielBeratungsangebote_03.pdf (Abruf am 19.04.2018).
229 http://www.emcdda.europa.eu/topics/pods/waste-water-analysis (Abruf am 24.7.2018).