Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf
Unter dem Blickwinkel eines inklusiven Bildungssystems geht es vorrangig um gleichberechtigte Möglichkeiten für Schüler mit Förderbedarf, Bildungsangebote nutzen zu können, also um die Zugänglichkeit von Bildungsinhalten und Bildungsorten. Die Gruppe der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterscheidet sich deutlich von der Gruppe der Menschen mit (Schwer-)Behinderungen in diesem Alter. Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben überwiegend keine anerkannte Behinderung. Umgekehrt haben auch nicht alle Schüler mit einer anerkannten Behinderung einen sonderpädagogischen Förderbedarf (Prognos, 2013). Auch wenn Bildungsprozesse über die gesamte Lebensspanne hinweg stattfinden, wird im Folgenden der Schwerpunkt auf den Bereich der schulischen und beruflichen Bildungsabschlüsse gelegt.
Im Schuljahr 2015/2016 hatten in Sachsen 27.306 Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf, das heißt sie waren in ihren Entwicklungs- und Bildungsmöglichkeiten in einer Weise beeinträchtigt, dass sie ohne zusätzliche, sonderpädagogische Förderung in einer allgemein- beziehungsweise berufsbildenden Schule nicht ausreichend gefördert werden können. Der Förderbedarf kann in Sachsen in sieben Förderschwerpunkten bestehen: emotionale und soziale Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, geistige Entwicklung, Hören, Lernen, Sehen und Sprache.
Zwischen den Schuljahren 2005/2006 und 2015/2016 ist die Zahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf deutlich um 19 Prozent gestiegen. Damit stieg sie schneller als die Zahl der Schüler insgesamt (+7%). Das führte dazu, dass der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in diesem Zeitraum ebenfalls zunahm: von 7,4 Prozent auf 8,3 Prozent.
Unter den Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind Jungen deutlich überrepräsentiert. Im Schuljahr 2015/2016 hatten 11 Prozent der Jungen einen Förderbedarf, fast doppelt so häufig wie Mädchen (6%). Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern haben in diesem Bereich in den letzten Jahren zugenommen. Während die Förderquote bei den Mädchen konstant blieb, stieg sie bei den Jungen weiter an (Abbildung 9-14).
Die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen bei der Diagnose eines Förderbedarfes haben vielschichtige Ursachen. Dazu gehört, dass Jungen insgesamt häufiger (Schwer-)Behinderungen aufweisen als Mädchen und dementsprechend häufiger einen Förderbedarf haben. Darüber hinaus zeigt sich bei einer Betrachtung der Verteilung der Geschlechter in den unterschiedlichen Förderschwerpunkten, dass bei Jungen deutlich häufiger ein Förderbedarf im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung diagnostiziert wird. Dies ist ein Förderbereich, in dem die Diagnostik besonders schwierig ist. Möglicherweise führen hier geschlechtsspezifische Verhaltensweisen und normative Erwartungen dazu, dass Jungen häufiger als förderbedürftig eingestuft werden (Diefenbach, 2010, S. 249).
Entsprechend der Einwohnerzahlen der Landkreise und Kreisfreien Städte in Sachsen variieren auch die Anzahlen der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Besonders hoch ist die Anzahl in den Städten Leipzig, Dresden und Chemnitz. Vergleichsweise wenige Schüler mit Förderbedarf gibt es in den Landkreisen Leipzig, Vogtlandkreis und Nordsachsen.
Große Unterschiede weisen die Landkreise und Kreisfreien Städte auch hinsichtlich der Förderquote, also des Anteiles der Schüler mit Förderbedarf an allen Schülern, auf. Die Förderquote war im Jahr 2015 in Chemnitz (13,2%) mehr als doppelt so hoch wie im Erzgebirgskreis (6,3%). Weitere Regionen mit hohen Förderquoten waren die Stadt Leipzig (9,6%) und der Landkreis Nordsachsen (9,2%).
Landkreis, Kreisfreie Stadt |
Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf | |||
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insgesamt | männlich | weiblich | Förderquote | |
Sachsen | 27.306 | 17.913 | 9.393 | 8,3% |
Chemnitz, Stadt | 2.315 | 1.487 | 828 | 13,2% |
Erzgebirgskreis | 1.782 | 1.120 | 662 | 6,3% |
Mittelsachsen | 2.216 | 1.444 | 772 | 8,7% |
Vogtlandkreis | 1.404 | 888 | 516 | 7,8% |
Zwickau | 2.114 | 1.360 | 754 | 8,2% |
Dresden, Stadt | 2.974 | 1.959 | 1.015 | 6,6% |
Bautzen | 1.915 | 1.292 | 623 | 7,3% |
Görlitz | 1.829 | 1.206 | 623 | 8,7% |
Meißen | 1.906 | 1.258 | 648 | 8,7% |
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge | 1.829 | 1.207 | 622 | 8,8% |
Leipzig, Stadt | 4.084 | 2.706 | 1.378 | 9,6% |
Leipzig | 1.398 | 953 | 445 | 6,7% |
Nordsachsen | 1.540 | 1.033 | 507 | 9,2% |
Die Entwicklung der Anzahl der Schüler mit Förderbedarf verlief in den Landkreisen und Kreisfreien Städten sehr unterschiedlich (Abbildung 9-15). Zwar stagnierte bis 2008 die Zahl der Schüler mit Förderbedarf in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten oder war sogar rückläufig, danach verzeichneten aber alle Landkreise und Kreisfreien Städte zum Teil starke Anstiege. So stieg von 2005 bis 2015 der Anteil der Förderschüler in der Stadt Chemnitz und im Landkreis Zwickau um jeweils 28 Prozent. Vergleichsweise geringe prozentuale Zuwächse konnten in den Landkreisen Bautzen und Görlitz beobachtet werden (jeweils +1%). Ein Teil der regionalen Differenzen ist demografisch bedingt. In Landkreisen wie Görlitz und Bautzen ist im Rahmen des starken allgemeinen Bevölkerungsrückgangs (siehe Kapitel Demografie) auch die Zahl der Schüler insgesamt (also sowohl mit als auch ohne Förderbedarf) zurückgegangen (Görlitz -6%; Bautzen -2%). Der Rückgang der Schülerzahlen insgesamt führte dazu, dass die Zunahme der Schüler mit Förderbedarf vergleichsweise gering ausfiel. In der Stadt Leipzig ist demgegenüber im Rahmen des allgemeinen Bevölkerungszuwachses die Anzahl der Schüler insgesamt deutlich gestiegen (+26%) und damit auch die Zahl der Schüler mit Förderbedarf (+26%).