Männerspezifische Prävention und Gesundheitsförderung
Die Darstellung in den vorangegangenen Kapiteln zeigt eine höhere gesundheitliche Belastung von Männern im Vergleich zu Frauen. Ersichtlich wird diese unterschiedliche Belastung beispielsweise in der geringeren Lebenserwartung von Männern (vergleiche dazu Kapitel Kennzahlen zur Lebenserwartung, Sterblichkeit und Krankheitslast) sowie dem höheren Tabak und Alkoholkonsum (siehe dazu den Kapitel Risikofaktoren im Kapitel Gesundheitsunterschiede bei Mann und Frau). Dabei lag die Sterblichkeit der sächsischen Männer sogar über dem Bundesdurchschnitt.
Geschlechtsbedingte gesundheitliche Unterschiede sind seit längerem bekannt und deren Verringerung ist erklärtes Ziel des Präventionsgesetzes. Ein grundsätzlich positiver Aspekt ist, dass Männer ihre Gesundheit subjektiv besser einschätzen. Allerdings ist hier auch der soziale Kontext entscheidend für die bessere Einschätzung der Gesundheit, denn dies betrifft vor allem gebildete Männer (Hurrelmann et al., 2004). Studien weisen außerdem darauf hin, dass Männer dem ärztlichen Rat zu einer gesundheitsbezogenen Verhaltensänderung eher folgen als Frauen (Baumann, 2006; Reid et al., 2009). Gleichzeitig messen sie Gesundheit weniger Bedeutung bei und sind vermutlich auch deshalb für Präventionsstrategien weniger erreichbar. Auch suchen Frauen bei Problemen eher einen Arzt auf. Im Gegensatz zu Frauen, die zumeist bedingt durch Fragen der Verhütung und Familienplanung bereits in jungen Jahren regelmäßige Arztkontakte haben, gibt es für Männer in der Regel keinen Grund, ohne Symptome ärztlichen Rat einzuholen.
Das Geschlecht ist demnach nur ein Faktor neben weiteren wichtigen Determinanten. So unterscheiden sich Männer beispielsweise in der Inanspruchnahme von sekundärpräventiven Maßnahmen wie Krebsvorsorgeuntersuchungen deutlich hinsichtlich des Alters: Ältere Männer und auch jene mit höherer Bildung nehmen eher an diesen Untersuchungen teil (RKI, 2014). Abbildung 6‑103 zeigt die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Inanspruchnahme der Krebsfrüherkennung in Sachsen. Von rund 944.200 anspruchsberechtigten Männern im Alter ab 45 Jahren nahmen im Jahr 2015 26,2 Prozent eine Krebsfrüherkennung in Anspruch. Von rund 1.687.900 anspruchsberechtigen Frauen im Alter ab 20 Jahren nahm ein doppelt so hoher Anteil (53,7%) eine Krebsfrüherkennung in Anspruch. Während der Anteil bei Frauen stabil über 50 Prozent blieb, ist er bei Männern von 19,0 Prozent (2005) auf 26,2 Prozent (2013) angestiegen.
Es ist folglich essentiell, dass Präventionsmaßnahmen sowohl das Geschlecht als auch die spezifische Lebenssituation berücksichtigen. Geschlechtsspezifische Angebote sind dort notwendig, wo Männer und Frauen unterschiedliche Bedürfnisse haben. In den meisten Bereichen sind Gesundheitskommunikation und Maßnahmen der Primärprävention bislang eher geschlechtsneutral, was deren Effektivität verringert (Altgeld et al., 2017). Aus dem Präventionsbericht des GKV (Gesetzliche Krankenversivcherung Spitzenverband) geht hervor, dass im Jahr 2016 59 Prozent der GKV-finanzierten Aktivitäten auf Zielgruppen bezogen waren. Dabei waren 4 Prozent der Angebote speziell auf Frauen und nur 2 Prozent speziell auf Männer ausgerichtet, 95 Prozent waren auf beide Geschlechter bezogen. Auch in der betrieblichen Gesundheitsförderung ist der Anteil geschlechterneutraler Angebote sehr hoch, während nur 4 Prozent der Angebote frauenspezifisch und 3 Prozent männerspezifisch sind (MDS, 2017;GKV-SV, 2017).
Ein geringes männerspezifisches Angebot zeigt sich beispielsweise auch bei den Volkshochschulen in Sachsen. Im Jahr 2016 waren 26 Prozent (n=223) der Kurse für spezifische Adressaten speziell für Frauen und nur 1 Prozent (n=7) waren männerspezifische Angebote. Dabei betrug der Anteil der Gesundheitskurse am gesamten Kursangebot 32 Prozent (n=5.093). Bei einer durchschnittlichen Belegung von 34 Prozent waren 88 Prozent (n=56.144) der Teilnehmenden Frauen und 12 Prozent (n=6.420) Männer. An dieser Stelle muss offenbleiben, ob die geringe Teilnahme von Männern unter anderem auf das Fehlen von adäquaten Angeboten zurückzuführen ist oder ob der Rahmen der Volkshochschule grundsätzlich eher den Bedürfnissen von Frauen entspricht.
Betriebe erscheinen dagegen ein geeigneteres Setting für männerspezifische Angebote zu sein, da hier im Vergleich zu individuellen Ansätzen der Anteil der erreichten Männer höher ist. Für Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung werden allerdings nicht die Teilnahmen, sondern der Erreichungsgrad als Zahl der Personen in der Zielgruppe einer Maßnahme angegeben. Außerdem erklärt sich der höhere Erreichungsgrad von Männern teilweise durch das tendenziell männliche Tätigkeitsfeld der betreffenden Betriebe (RKI, 2014). Die betriebliche Gesundheitsförderung sowie der Arbeitsschutz sind für Männer auch aufgrund der höheren Arbeitsplatzrisiken von besonderer Relevanz, wie in den Kapiteln Gesundheitsunterschiede bei Mann und Frau und Prävention und Gesundheitsförderung im mittleren Erwachsenenalter in Bezug auf die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) bereits erläutert. Des Weiteren zählen Sportvereine zu den Settings für männerspezifische Prävention und Gesundheitsförderung.
In Sachsen wurde als bisher einzigem Bundesland 2015 eine Landesfachstelle für Männerarbeit eingerichtet, mit einer separaten Fachstelle für Jungenarbeit. Ziel der Landesfachstelle ist neben anderen die Sensibilisierung kleiner und mittlerer Unternehmen für die Notwendigkeit passgenauer Angebote der Gesundheitsförderung für Männer und deren mittelfristiger Etablierung.175 Zudem gibt es in Sachsen vereinzelt positive Beispiele für Projekte, deren Grundlage die Beachtung geschlechtsspezifischer Besonderheiten in spezifischen Lebenslagen sind. Hier ist insbesondere das Männernetzwerk Dresden e.V. mit der Fachstelle für Jungen- und Männerarbeit hervorzuheben.176 Das Projekt »P3|sozial« richtet sich beispielsweise an erwerbslose Männer. »P3|sozial« steht als Synonym für Projekte | Partner | Perspektiven und wird durch das Sozialamt Dresden nach §16a Absatz 3 SGB II gefördert. Im Rahmen des Projektes wird ein Ort der Entlastung in der gegenwärtigen Situation geboten und Hilfestellung bei der Überwindung von Destabilisierung und zur Neuorientierung gegeben.177
Das 2007 von der AIDS-Hilfe Dresden und der Beratungsstelle für AIDS und sexuell übertragbare Infektionen (STI) des Gesundheitsamtes Dresden entwickelte Online-Informationsangebot »Pflege Deinen Schwanz« gilt als Vorbild für eine moderne HIV/STI-Prävention und wurde bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Die Internetseite bietet Informationen zur sexuellen Gesundheit von Männern und fördert Reflexion und verantwortungsvolles sexuelles Handeln bei Männern.178 Wie in Kapitel Gesundheitsunterschiede bei Mann und Frau darstellt, betreffen HIV-Infektionen in Sachsen überwiegend Männer.
Insgesamt wird deutlich, dass der besondere Bedarf an männerspezifischen Angeboten in Sachsen erkannt wurde. Ziel sollte es künftig sein, bewährte Präventionsangebote für Männer innerhalb Sachsens zu verbreiten und weitere spezifische Angebote zu entwickeln, um ein flächendeckendes Angebot zu schaffen. Schwerpunkte des Angebotes sollten, orientiert an den Gesundheitszielen und den bei Männern identifizierten höheren Risiken, Maßnahmen für erwerbslose Männer Interventionen im Bereich Psychosoziales sowie zum Tabak- und Alkoholkonsum sein. Auch die Erkenntnis, dass Betriebe sich besonders als Setting für männerspezifische Angebote eignen, sollte genutzt und die Arbeit der Landesfachstelle für Männerarbeit weiter gefördert werden.
Fußnoten
175 http://www.juma-sachsen.de/landesfachstelle-maennerarbeit/maennergesundheit/ (Abruf am 16.03.2018).
176 https://mnw-dd.de/einrichtungen.html (Abruf am 16.03.2018).
177 hhttps://mnw-dd.de/einrichtungen.html (Abruf am 16.03.2018).
178 http://dresden.aidshilfe.de/?p=3816 (Abruf am 16.03.2018).