Zusammenfassung
Eine gleichberechtigte berufliche und gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen ist ein wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel. Datengestützte Berichte wie der Sozialbericht können einen Hinweis darauf geben, ob und inwieweit dieses Ziel erreicht wird. Im Rahmen des Sozialberichts wird dabei nur ein Ausschnitt der Lebenslage von Menschen mit Behinderungen dargestellt. Ausführlichere Darstellungen wird der 6. Bericht zur Lage der Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen enthalten, der zurzeit in Vorbereitung ist.
Die Auswertungen für den vorliegenden Sozialbericht zeigen: Menschen mit Behinderungen machen einen wesentlichen Teil der Bevölkerung in Sachsen aus. Jeder Zehnte hat eine Schwerbehinderung, also eine anerkannte Behinderung mit einem GdB von 50 oder darüber. In den vergangenen Jahren haben sich die Anzahl der Menschen mit Schwerbehinderungen sowie ihr Anteil an der Bevölkerung deutlich erhöht. Dieser Anstieg geht auf die demografische Entwicklung in Sachsen zurück. Insbesondere ältere Menschen haben häufiger eine Schwerbehinderung. Daher wächst der Anteil der Schwerbehinderten mit einer älter werdenden Bevölkerung.
In Sachsen gibt es zwar in etwa genauso viele Männer wie Frauen mit Schwerbehinderungen. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass die Schwerbehindertenquote unter den Männern, insbesondere im fortgeschrittenen Alter, deutlich höher ist als bei den Frauen.
Die demografische Struktur im Freistaat Sachsen unterscheidet sich zwischen den Regionen zum Teil erheblich. Das beeinflusst den Anteil der Menschen mit Schwerbehinderungen an der Bevölkerung in den Landkreisen und Kreisfreien Städten. Da Schwerbehinderungen mit dem Alter zunehmen, haben Regionen mit einer älteren Bevölkerung, wie beispielsweise der Landkreis Görlitz, tendenziell eine höhere Schwerbehindertenquote. In Regionen mit einer relativ jungen Bevölkerung, wie zum Beispiel die Kreisfreie Stadt Leipzig, leben demgegenüber relativ zur Gesamtbevölkerung weniger Menschen mit Schwerbehinderungen. Vorausberechnungen weisen darauf hin, dass sich die absolute Anzahl der Menschen mit Schwerbehinderung auch in Zukunft zwischen den Regionen sehr unterschiedlich entwickeln wird. Besonders hohe (absolute) Zuwächse werden aufgrund des hohen Bevölkerungswachstums in den Städten Leipzig und Dresden erwartet, Rückgänge in den Landkreisen Zwickau und Görlitz sowie dem Erzgebirgskreis.
Menschen mit Schwerbehinderungen sind eine sehr heterogene Gruppe. Zwei Drittel haben eine körperliche Schwerbehinderung, ein Viertel eine geistig-seelische. In den allermeisten Fällen liegt die Ursache für die Schwerbehinderung in einer Krankheit. Nur etwa jede 20. Schwerbehinderung besteht bereits von Geburt an.
Der gleichberechtigte Zugang zu Bildungsinhalten und Bildungsorten ist von zentraler Bedeutung für die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Etwa 27.000 Schüler waren im Schuljahr 2015/2016 in ihren Entwicklungs- und Bildungsmöglichkeiten in einer Weise beeinträchtigt, dass sie ohne zusätzliche, sonderpädagogische Förderung in einer allgemein- beziehungsweise berufsbildenden Schule nicht ausreichend gefördert werden könnten. Jungen haben fast doppelt so häufig einen Förderbedarf wie Mädchen. Der größte Teil der Schüler mit Förderbedarf wird an Förderschulen unterrichtet. Jedoch steigt der Anteil der inklusiv beschulten Kinder seit einigen Jahren kontinuierlich an, insbesondere in Grundschulen und Mittel-/Oberschulen.
Neben der Bildung hat auch die Teilhabe am Arbeitsleben eine zentrale Bedeutung für die Menschen mit Behinderungen. Die Daten zeigen, dass sie nach wie vor deutlich seltener erwerbstätig sind als Menschen ohne Behinderungen. Insgesamt ist der Anteil der erwerbstätigen Menschen mit Behinderungen in den letzten Jahren jedoch deutlich gestiegen, auch wenn sie nicht in dem gleichen Maße vom positiven Trend auf dem sächsischen Arbeitsmarkt profitieren konnten wie Menschen ohne Behinderungen.
Die geringere Arbeitsmarktbeteiligung von Menschen mit (Schwer-)Behinderungen wird auch an der finanziellen Situation sichtbar. Menschen mit Schwerbehinderungen hatten im Jahr 2013 ein geringeres Einkommen und höheres Armutsrisiko als Menschen ohne Schwerbehinderungen. Nur etwa jeder dritte Mensch mit Behinderungen kann seinen Lebensunterhalt überwiegend durch ein Erwerbseinkommen bestreiten.
In den vergangenen Jahren sind die Ausgaben für Leistungen zur Teilhabe deutlich gestiegen. In den exemplarisch ausgewählten Bereichen der Eingliederungshilfe und den Leistungen des Integrationsamtes wuchsen einerseits die Zahl der Leistungsbeziehenden, andererseits auch die gewährten Mittel pro Bezug. Beim Integrationsamt überstiegen die Ausgaben zuletzt die Einnahmen.
Die Auswertungen beinhalten Hinweise auf wichtige Handlungsfelder in Sachsen für die kommenden Jahre. Hierzu zählen insbesondere die Bereiche Bildung und Arbeitsmarkt.266 Die Ergebnisse zeigen, dass hier positive Entwicklungen nachvollziehbar sind, eine gleichberechtigte Teilhabe weiterhin aber nicht gewährleistet wird. Auch im Bundesvergleich legen zentrale Indikatoren zur Teilhabesituation nahe, dass in Sachsen weiterhin Aufholbedarf besteht. Wichtige Indikatoren zur Analyse der Teilhabesituation sind im Bereich Bildung die Besuchsquoten für die Einzelintegration sowie die Schul- und Berufsabschlüsse der Menschen mit Behinderungen. Im Handlungsfeld Arbeitsmarkt kann die Teilhabesituation insbesondere an den Indikatoren zur Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Behinderungen sowie an der Möglichkeit, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen, gemessen werden.
Um die Lage der Menschen mit Behinderungen umfassend beurteilen zu können, ist es wichtig, die Datenlage zu den Menschen mit einem GdB von unter 50 deutlich zu verbessern. Perspektivisch sollte darüber hinaus, anknüpfend an die UN-Behindertenrechtskonvention und den Teilhabebericht der Bundesregierung, die Berichterstattung nicht mehr nur die Gruppe der Menschen mit anerkannten Behinderungen behandeln, sondern auch die Gruppe der Menschen mit Beeinträchtigungen insgesamt – also auch der chronisch Kranken und dauerhaft Beeinträchtigten − umfassen.
Fußnoten
266 Einen ausführlichen und umfassenderen Überblick über die Handlungsfelder zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Sachsen bietet der Aktionsplan der Sächsischen Staatsregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Abrufbar unter: https://www.behindern.verhindern.sachsen.de/aktionsplan.html (Abruf am 10.10.2018).